Corporate Universities - auch in Deutschland im Kommen

In den USA wurde bereits 1955 die erste Corporate University - das General Electric's Management Development Institute- gegründet. Wie weit dort das Konzept der Corporate Universities inzwischen verbreitet ist (mittlerweile sind es mehrere hundert), zeigt sich daran, daß dieses Jahr erstmals eine Prämierung mit den "Corporate University Excellence Awards" stattgefunden hat. Die Beratungsfirma "Corporate University Exchange" verleiht - gesponsort von der "Financial Times" - Preise für besondere Angebote unternehmenseigener Universitäten.

In Deutschland wurde die erste Corporate University von Daimler pünktlich zur Fusion mit dem amerikanischen Automobilkonzern Chrysler im August 1998 gegründet. Der Medien-konzern Bertelsmann folgte einen Monat später. Auch Lufthansa verfügt über eine firmeneigene Universität, die Deutsche Bank bereitet sich zur Zeit darauf vor.

Was verstehen deutsche Unternehmen unter einer Corporate University?

  • weltweites, individuell gestaltetes Netzwerk aus Experten und Business Schools für interne Führungskräfte
  • Corporate University existiert nach heutigem Verständnis nicht räumlich, sondern virtuell
  • Prozeß des lebenslangen Lernens: permanente Weiterbildung der Führungskräfte
  • Entwicklung der Unternehmenskultur
  • Plattform für kernstrategische Initiativen
  • Umsetzung von Wissensmanagement

Anders die Corporate Universities in den USA: In der Regel wird allen Mitarbeitern und nicht nur den Top-Managern der Zugang gewährt. Außerdem sind sie zum Teil firmen-übergreifend organisiert.


Corporate Universities in der Praxis an den Beispielen Bertelsmann und Daimler-Chrysler:

Beide Firmen kooperieren mit Top-Adressen der Business Schools wie Havard Business School in Boston und IMD (International Institute for Management Development) in Lausanne. Gemeinsam mit diesen Partnern entwickeln sie maßgeschneiderte Programme für die strategischen Ziele des jeweiligen Konzerns, wobei das wissenschaftliche Know-how der Business Schools mit den Praxiserfahrungen internationaler Führungskräfte des entsprechenden Unternehmens verknüpft wird. Zur Weiterbildung der Führungskräfte werden sowohl Techniken wie CBT und Long Distance Learning eingesetzt, als auch Diskussionsforen zu Themen wie Marktbeobachtung, Schlüsselqualifikationen, usw. eingerichtet.

Für Bertelsmann dient die Corporate University der Überschreitung von Grenzen im Unternehmen, sowohl in einzelnen Abteilungen als auch geographisch (bezogen auf seine weltweiten Profit Center). So wird erreicht, daß alle Unternehmensbereiche von demselben Wissenspool profitieren. Ferner soll sie als Instrument der globalen Vernetzung dienen, interkulturelle Kompetenzen vermitteln und ein Gefühl der Gemeinschaft vermitteln.

Das von Daimler-Chrysler zentral erarbeitete Programm greift folgende inhaltliche Schwerpunkte auf:

  • Management-Development: für Mitarbeiter, die auf neue Führungsaufgaben vorbereitet werden sollen
  • Innovations- und Wissenstransfer: einmal erworbenes Fimen-Know-how soll optimal ausgeschöpft und bereichsübergreifend transferiert werden können
  • Strategie-Dialoge: Führungskräfte sollen noch stärker in die unternehmerische Verantwortung eingebunden werden

Selbstverständlich soll die firmeneigene Universität dem Unternehmen auch bezüglich der Fusion mit dem US-Automobilhersteller Chrysler als Plattform dienen, damit "die analyse-orientierten Deutschen und die handlungsorientierten Amerikaner" (Göbels, Vorsitzender des Konzern-Sprecherausschusses) schneller zueinanderfinden.


Entwicklung der Unternehmenskultur

Mit den Führungskräften werden die gemeinsamen Leitlinien des Unternehmens entwickelt, die durch sie an die übrigen Mitarbeiter weitervermittelt werden sollen. Hierbei spielen derzeit Werte wie Mitarbeitermotivation, Teamfähigkeit und soziale Kompetenz (die sogenannten "soft skills") eine große Rolle. Durch die globale Vernetzung der Corporate University wird eine weltweite Orientierung an denselben Unternehmenszielen angestrebt.


Kritische Betrachtung der Corporate Universities

Kritiker urteilen, daß an einer Corporate University lediglich der Name neu sei, hinter dem sich längst bestehende firmeninterne Fortbildungsmaßnahmen verbergen. Auf große Zweifel stößt ebenfalls das reine Kosten-Nutzen-Denken. Bisher wurde Weiter-bildung auch als Mittel zur persönlichen Entwicklung von Mitarbeitern eingesetzt. Dagegen steht heute vor allem der Nutzen für das Unternehmen im Vordergrund. Am schwersten wiegt allerdings der Vorwurf, daß es sich hierbei um ein Elite-Projekt handelt, da nur Top-Manager Zugriff auf die unternehmenseigene Universität haben und die Ihnen unterstellten Mitarbeiter kein Mitspracherecht bei der Entwicklung der Unternehmenskultur haben. Bei Daimler-Chrysler sind die Teilnahmebedingungen sogar noch hierarchischer geregelt: Nur derjenige, der die Führungsstufe 3 (von insgesamt 5) erreicht hat und zusätzlich von seinem Chef empfohlen wird, darf von der Corporate University profitieren.


Referentinnen: Almut Schmidt Daniela Sommer