TEIL II: Einführung in die Informationsethik

Rafael Capurro

 
 
 

5. Historische Aspekte

Zur Einführung:

ICIE: historical aspects 

Capurro, Rafael: Mediale (R-)Evolutionen
Capurro, Rafael: Passions of the Internet  

Informationswissenschaft (Universität Saarbrücken)

 

Die abendländische Tradition
 

Die abendländische Tradition der Informationsethik stammt aus der vorwiegend oralen Kultur des antiken Griechenland.     

Die agora (Markt, Ort der Volksversammlung) und die Redefreiheit (Griechisch: parrhesia) waren eine wesentliche Grundlage der athenischen Demokratie. Eine Philosophenschule, die Kyniker, kultivierte die Redefreiheit als eine besondere Ausdrucksform.     

Sokrates (469-399 v.Chr.) übte sein dialogisches Denken in der Öffentlichkeit und hinterließ keine Schriften. Sein Schüler Platon (427-347 v.Chr.) schrieb Dialoge und thematisierte zugleich in kritischer Absicht den Übergang von einer oralen Kultur zu einer Schriftkultur. 

Vgl.: v.Vf.: Mediale (R-)Evolutionen. Platon, Kant und der Cyberspace  

Die unter dem Einfluß des Christentums entstandene Schrift- und Buchkultur kreiste vor allem um ein  Buch, nämlich die Bibel. Die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg im Jahre 1455 und die davon profitierende Reformation stellten in der Neuzeit die Frage nach der Redefreiheit als Freiheit seine Gedanken den anderen ungehindert nicht nur schriftlich, sondern auch in gedruckter Form mitzuteilen, in den Vordergrund.     

Durch die französische Revolution wurden die privaten Bibliotheken des Adels und des Klerus zum gemeinen Eigentum. Projekte wie die französische Encyclopédie sowie die Wandlung der privaten religiösen und adligen Büchersammlungen zu öffentlich zugänglichen Bibliotheken führten zu einem wachsenden Bewußtsein von Informationsfreiheit, die unter anderem im Prinzip der Pressefreiheit als eine Grundlage der modernen Demokratien gipfelte.     

Die abendländische Tradition der Informationsethik von der Antike bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist durch zwei Ideen gekennzeichnet:     
- Freiheit der Rede ("freedom of speech")    
- Freiheit des gedruckten Wortes (Pressefreiheit) ("freedom of the press")    
Hinzu kommt heute, in der vernetzten Welt der elektronischen Information, die Frage nach der: - Freiheit des Zugangs zur digitalen Information ("freedom of access").
 

 

 

Weiterführende Literatur:

- Ethik in der Globalität. Ein Dialog (R. Capurro, Th. Hausmanninger) (2002)
- Ethical Challenges of the Information Society in the 21st Century (2000)

 
 
 
 
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