ROBOTICS VS HUMANITY

Rafael Capurro


 
 

    

Beitrag zu Digital 2018. Telekom: Paneldiskussion "Robotics vs Humanity" mit Prof. Dr. Dirk Helbig (ETH Zürich) und Dominik Bösl (KUKA Robotics), Kölnmesse Halle 8,  Köln, 14:45 Uhr, 7. November, 2018.



     

Mit dem Zunehmen von Robotern im menschlichen Lebenszusammenhängen und dem Klarwerden, dass es sich bei Robotern nicht nur mehr um reine Werkzeuge oder Maschinen handelt, sondern um Agenten oder Begleiter, vielleicht auch irgendwann um eigenständige Persönlichkeiten, stellte sich die Frage nach einer Einschätzung der ethischen Herausforderungen an den Menschen. Über welche ethische Herausforderung sprechen wir genau Herr Capurro?

Man kann die Trias Werkzeuge-Maschinen-Roboter im Sinne eines historischen Ablaufs verstehen:  die Antike erfand Werkzeuge, die Moderne, Maschinen und die Gegenwart, Roboter. Aber diese Aufteilung ist schief weil die Antike erfand auch Maschinen und Roboter. Nur dass der soziale und kulturelle Kontext ein anderer war: es herrschte Sklavenwirtschaft. Diener und Sklaven wurde als 'beseelte Werkzeuge' aufgefasst. Es gab auch hervorragende Automaten, die etwa im religiösen Kontext (öffnen von Tempeltüren u.dgl.) gebraucht wurden. Und es gab allerlei Maschinen für Transport- und Kriegswesen. Aber der entscheidende Unterschied zu Moderne vor allem seit der industriellen Revolution besteht in der Nutzung der Elektrizität, in der Massenproduktion von Waren sowie in der Einteilung von Arbeit, was wiederum zu neuen Formen von Sklaverei führte.

Die ethischen Herausforderungen waren dementsprechend anders in Antike und Moderne und sie sind wiederum anders in der heutigen digitalen Transformation zunächst im Hinblick auf die seit Jahren aber jetzt sich rasch entwickelnde Anwendung von Robotern in der Industrie und in anderen Bereichen, die bisher menschlicher Intelligenz weitgehend vorbehalten waren. Sodann in der massiven Nutzung der Digitalisierung zum Beispiel für Zwecke der Überwachung (Stichwort: Überwachungsgesellschaft), zu Formen des Missbrauchs von Nutzerdaten (Stichwort: Cambridge Analytica) bis hin zu Anwendungen im militärischen Bereich (Stichwort: Cyberspionage und Cyberkrieg). In diesen und anderen Fällen stellen sich die Fragen wie zum Beispiel: welchen Preis individueller und sozialen Freiheit und Autonomie sind wir bereit für die Digitalisierung  zu bezahlen? wann und für wenn macht diesen Preis Sinn?  welche positive und negative Konsequenzen hat die massive Nutzung der Digitaltechnologie für die Umwelt (Stichwort: Elektronikschrott)?


Wir alle sind uns im Klaren, dass der Technologiestandort Deutschland erhalten und ausgebaut werden muss. Aber auch der Mensch wird und muss weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Wie sehen Sie das und können Sie uns einen kleinen Ausblick geben, wie unsere Zukunft vielleicht mal aussehen wird?

Ohne mir hellseherische Fähigkeiten anzumaßen, glaube ich, dass die Zeichen der Zeit in Richtung eines Jahrhunderts der Robotik hin deuten. Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert des Automobils. Die Krise der Automobilindustrie, eine Kernindustrie der Bundesrepublik Deutschland, hat nicht nur eine rechtliche und moralische Komponente, sondern sie betrifft eine grundlegende Veränderung im Verständnis vom Mobilität. Dieses Neuverständnis hängt nicht nur mit der digitalen Technologie, sondern auch mit sozialen und ökonomischen lokalen und globalen Herausforderungen zusammen (Stichworte: Megastädte, Migration, Energie). Eine Veränderung des individuellen Verkehrs durch das autonome Fahren wird manchmal als Lösung der Sicherheitsprobleme im heutigen Verkehr verstanden. Ich meine aber, dass die Frage der Mobilität im lokalen und globalen Maßstab nach anderen Antworten verlangt, auch wenn vernetzte und autonom fahrende Fahrzeuge ein Teil der Lösung in bestimmten Kontexten sein können. In diesem Sinne müssen wir also die Idee des 'Auto-mobils' neu überdenken anstatt die alte Idee nur zu perfektionieren. Königliche Karossen machen Sinn, solange es Könige gibt. Sonst gehören sie als Idee und als Verwirklichung davon ins Museum.

Was bedeutet in diesem Sinne zu sagen, dass auch der Mensch weiterhin eine zentrale Rolle spielen wird und muss? Wohl nicht die zentrale Rolle, die der Mensch, eigentlich: der Mann, seit der Neuzeit hatte, indem er sich als Herrscher und Gebieter der Natur verstand. Der Anthropozentrismus, der weitgehend ein Androzentrismus (Männerherrschaft) war, muss gründlich im Sinne einer Partnerschaft mit der Natur und insbesondere mit anderen Lebewesen revidiert werden.



Letzte Änderung: 8. November 2018


 
    

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