DIGITALE ETHIK ZWISCHEN RES PUBLICA UND RES PRIVATA

Rafael Capurro 


 
 

    
Beitrag mit dem Titel "Ethik der Digitalität" zur vorgesehenen und wegen der Corona-Krise verschobenen Anhörung der Enquêtekommission "Digitalisierung im Saarland" zum Thema Digitale Ethik. Landtag des Saarlandes, Saarbrücken, Franz-Josef-Röder-Str.7, 4. Mai 2020.

Erscheint mit dem Titel "Digitale Ethik zwischen res publica und res privata. Ein Geleitwort" in: Petra Grimm, Oliver Zöllner, Kai Erik Trost, Hrsg.: "Handbuch Digitale Ethik". Baden-Baden: Nomos Verlag 2024 (i.Dr.)
 

Einführung

Norbert Wiener (1894-1964) und Joseph Weizenbaum (1923-2008) gelten als Pioniere dessen, was heute Digitale Ethik heißt (vgl. Wiener 1950; Weizenbaum 1976). Den Ausdruck digital ethics hörte ich zum ersten Mal 2009, als die Academy of Korean Studies mich um einen Beitrag mit diesem Titel für das Global Forum on Civilization and Peace bat (Capurro 2010a). Andere in ihrer Bedeutung teilweise überlappende Bezeichnungen sind: Informationsethik, Computerethik, cyberethics, Netzethik oder Medienethik; jüngst hat sich – auf den Vorarbeiten Stalders zur Kultur der Digitalität (2016) aufbauend – auch die Bezeichnung „Ethik der Digitalität“ eingebürgert (Noller 2022). Ich begreife Digitalität als einen umfassenden und epochalen digitalen Verstehens- und Handlungshorizont, wofür auch der Ausdruck „digitale Ontologie“ steht (Capurro 2010b; 2017). Die Bibliografie des International Center for Information Ethics (ICIE), das ich 1999 gründete und das seit 2018 an der University of Alberta (Kanada) angesiedelt ist, zählt ca. 700 Monografien auf dem Gebiet der Informationsethik und verwandter Bereichsethiken zwischen 1976 und 2016 (ICIE, online).

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6. Was folgt daraus?

Digitale Ethik versteht sich als politische Ethik, wenn es darum geht, die Digitalität der res publica und der res privata sowie deren Verhältnis zu problematisieren. Was dies für die Ausgestaltung der Zivilgesellschaft, das heißt für das Vor- und Nachdenken über digitale Zukünfte im Leben eines jeden Einzelnen sowie im gesellschaftlichen Leben bedeutet, welche gelungene Lebensformen und welche Verfallsformen des Selbstseins im Spiel mit den anderen in einer gemeinsamen Welt schon offen oder noch verborgen sind, lässt sich nicht im Vorhinein und ein für alle Mal feststellen. Es ist eine Aufgabe, die nicht nur eine akademische Disziplin betrifft, sondern im alltäglichen ethos der Menschen in der Spannung zwischen Digitalität und Materialität problematisiert werden sollte (Capurro 1995). In diesem Sinne wünsche ich dem vorliegenden Handbuch zur Digitalen Ethik viel Erfolg und eine weite Verbreitung wie auch breite Rezeption.





 
    

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