VERNETZT GESPALTEN. EIN TRIALOG

 
Rafael Capurro, Thomas Hausmanninger, Rupert M. Scheule

  
 

  
Dieser Beitrag erschien in: Rupert M. Scheule, Rafael Capurro, Thomas Hausmanninger Hrsg.: Vernetzt gespalten. Der Digital Divide in ethischer Perspektive. Schriftenreihe des ICIE Bd. 3. München: Fink Verlag, 15-34. Der Band enthält die Proceedings des II. ICIE Symposiums am 3.-5.10.2002.



  
R.C.: Was meinen wir, wenn wir von Gerechtigkeit im Medium der digitalen Weltvernetzung oder von Netzgerechtigkeit aus ethischer Sicht sprechen? "The oceans are the very foundation of  human life" heißt es in der Website der "Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea" der Vereinten Nationen. Ist heute und in Zukunft die Weltvernetzung "the very foundation of human life"? Ein Unterschied zwischen der digitalen Weltvernetzung und den Weltmeeren besteht wohl darin, dass letztere entdeckt werden, während die digitale Weltvernetzung eine Erfindung ist. Dieser Unterschied zwischen Entdeckung und Erfindung ist wesentlich für das Patentrecht, d.h. für jenes System, das das Recht des Erfinders im Hinblick auf die mögliche industrielle Nutzung seiner Erfindung schützen und dadurch dem schöpferischen Prozeß aufgrund der Offenlegung der gewonnenen neuen Erkenntnisse dienlich sein soll. Inwiefern ist aber die Weltvernetzung eine Erfindung? Sie ist zwar ein technisches Konstrukt, aber niemand hat diese Ganzheit als solche erfunden. Dennoch ist es unbestritten, dass einige proprietäre tools, wie Windows, das Internet wesentlich prägen und monopolisieren. Das Netz ist aber kein bloßes Werkzeug, das wir lediglich in gerechter Weise, jedem, der es benötigt, es aber nicht besitzt, zu fairen oder gerechten Bedingungen ein für allemal zur Verfügung stellen könnten. Insofern ist der Unterschied zwischen einem Medium und einem Werkzeug in bezug auf das Internet von entscheidender Bedeutung. Wir können ein Medium als Medium nur dann beobachten, wenn wir mit ihm interagieren, nicht aber wenn wir es bloß als ein Werkzeug auffassen. Die Differenz zwischen einem Medium und einem Werkzeug ist ein Unterschied, die einen Unterschied macht. In diesem Sinne aber nur in diesem Sinne ist eine Medienphilosophie als pragmatische Medienphilosophie möglich (Münker/Roesler/Sandbothe 2003).

Jede Erfindung erzeugt eine Differenz. Im Falle des Internet, bei dem es um menschliche Kommunikation und somit doch um die "very foundation of human life" geht, erzeugen die Erfindungen das Paradoxon der vernetzten Spaltung, die eine digitale Kommunikationsspaltung ist. Das digitale Netz spaltet in einem doppelten Sinne, zum einen, indem es alles, was nicht digitalisierbar ist, ausschließt, und zum anderen, indem es diejenigen, die nicht digital vernetzt sind, von der Kommunikation ausschließt. Die Überwindung oder der gerechte Ausgleich angesichts dieser doppelten Spaltung  kann nicht die Utopie einer Welt sein, in der nur digitales Sein als Maßstab zählt oder in der die Menschen sich von der Möglichkeit nicht-digital zu kommunizieren, zumindest tendenziell verabschieden. Ein Grund warum wir diese Utopie als eine Form der Überwindung der digitalen Spaltung nicht anstreben sollten, besteht m.E. darin, dass sie uns an Möglichkeiten ärmer macht und somit eine neue Ungerechtigkeit erzeugt. Mit anderen Worten, eine Relativierung der Ansprüche jener Gerechtigkeit des Netzes (genitivus subiectivus) tritt erst dann zutage, wenn wir das Netz nicht als einen nicht-hinterfragbaren Grund und als unbefragbares Ziel menschlicher Kommunikation auffassen, indem wir den Unterschied zwischen dem Digitalen und den Nicht-Digitalen in einer bestimmten Weise auslegen, die zur besagten Spaltung führt, sondern wenn wir die Faktizität dieses Unterschiedes einer Beobachtung zweiter Ordnung unterziehen. Dieser rekursive Prozeß — die Hermeneutik nennt ihn hermeneutischer Zirkel — erlaubt uns jene Differenz zu beobachten und gegebenenfalls in Frage zu stellen, die unserer Kommunikation als Regel zugrunde liegt.

Mit Netzgerechtigkeit aus ethischer Sicht, im Unterschied zur rechtlichen Perspektive, meinen wir einen sich stets verschiebenden Beobachtungshorizont menschlicher Kommunikation im Medium digitaler Weltvernetzung, bei dem es aber nicht nur um die Infragestellung von Absolutheitsansprüchen seitens einer bestimmten faktischen Herrschaft der digitalen Spaltung geht, sondern auch um die Verwandlung der Spaltung in das, was sie eigentlich ist, nämlich eine Differenz. Diese Verwandlung oder, genauer ausgedrückt, diese phänomenologische Operation des Zum-Vorschein-Kommen-lassens der digitalen Differenz, hat dann als Ziel, denjenigen, die – in welcher Form auch immer – aufgrund der Festlegung der Differenz in Gestalt einer Spaltung ausgegrenzt werden, die Möglichkeit zu eröffnen, diese Differenz von sich aus auszulegen und zu gestalten. Die ethische Perspektive einer Netzgerechtigkeit läßt sich zwar in der quasi-rechtlichen Form eines Menschenrechts auf (digitale) Kommunikation zum Ausdruck bringen, aber ein solcher Grundsatz, der sich vom Recht auf Information z.B. im  Sinne des Rechts auf Pressefreiheit unterscheidet, stellt uns erst vor der Frage, ob und inwiefern die Beobachtung der digitalen Differenz im Sinne einer digitalen Spaltung stattfindet und welche Möglichkeiten sowohl im Falle einer ausgleichenden Gerechtigkeit, etwa im Hinblick auf die Chancengleichheit beim Netzzugang, als auch im Falle einer austeilenden Gerechtigkeit, etwa bei der Verteilung von Hard- und Software, faktisch möglich und rechtlich geboten sind. Ethik, Recht und Technik müssen wiederum vor dem Hintergrund einer gegebenen Kommunikationskultur reflektiert werden.

Was also jeweils nicht nur im Sinne einer "informationellen Gerechtigkeit" (Weber 2001), sondern auch einer kommunikativen Netzgerechtigkeit zu verstehen ist, und was davon wiederum rechtlich national und/oder international kodifiziert werden könnte und sollte, ist nicht von vornherein ausgemacht. Das zeigt nicht zuletzt der von den Vereinten Nationen ausgerufene World Summit on the Information Society (WSIS 2003), bei dem es vor allem darum geht, angesichts der digitalen, interaktiven und horizontalen Kommunikationsmöglichkeiten das Menschenrecht auf Kommunikation vom Menschenrecht auf Information, im Sinne einer vertikalen und einseitigen Verarbeitung und Verbreitung von Nachrichten, zu unterscheiden (vgl. den Beitrag von Jessica Heesen in diesem Band, 213-223). Das Recht auf Kommunikation unter den Bedingungen der Weltvernetzung bedeutet dann auch mehr, als bloß die Freiheit zu kommunizieren – es soll als ein aktiv zu förderndes Ziel aufgefaßt werden. Das schließt eine konkrete Ausdifferenzierung vernetzter Differenzen ein, wie zum Beispiel die zwischen Information bzw. Wissen als eine Ware oder als ein freies Gut, oder zwischen lokalen und globalen Inhalten, oder die Differenz zwischen unterschiedlichen, quer zu den nationalen Grenzen sich bildenden glokalen Netzgemeinschaften, oder zwischen der im Netz zugänglichen und der nicht-zugänglichen öffentlichen Information, oder zwischen dem kurzfristig oder langfristig aufzubewahrenden Wissen, oder zwischen den fairen und unfairen Bedingungen des Netzzugangs, oder, schließlich aber keineswegs vollständig, zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen. Mit anderen Worten, der Titel unseres Trialogs gibt Anlaß für ausgedehnte und offene ethische Netzgespräche über das, was uns als ein gelungenes Zusammensein im Horizont der digitalen Weltvernetzung vorschweben mag. 

Th.H.: Differenz und Spaltung sollten wir demnach voneinander unterscheiden, um sie dann in einer sinnvollen, d.h. bedeutungsklärenden Weise aufeinander beziehen zu können. Außerdem werden wir wohl weitere Begriffe zur Erschließung des Phänomens, um das es uns geht, heranziehen müssen. Allerdings ist das Etikett Digital Divide, das zur Bezeichnung dieses Phänomens generell verwendet wird, einer solchen Klärung, die mit (analytischen) Begriffsunterscheidungen arbeitet, nicht von vorneherein hilfreich: Dem Wort divide eignet ein Bedeutungsspektrum, das neben “teilen” auf der einen Seite auch “einteilen”, “unterteilen” – mit Bezügen zu “klassifizieren” – und “unterscheiden” (distinguish) umfasst, während es auf der anderen Seite “zerteilen”, “entzweien”, “scheiden”, “abtrennen” enthalten kann. Je nach Verwendungsweise berührt sich divide also sowohl mit dem deutschen Begriff der Spaltung als auch mit dem Begriff der Differenz (im Sinn der einfachen Verschiedenheit, Unterscheidung). Ähnlich verhält es sich mit den lateinischen Referenzwörtern divido, dessen Bedeutungsspektrum von “teilen” und “einteilen” (differenzieren?) bis zu “trennen”, “spalten” und sogar “zerspalten”, “vernichten” reicht, und differo, das “auseinandertragen”, “unterscheiden”, “zerstreuen”, “zerreißen” (auseinanderdividieren, spalten?) etc. bedeuten kann.

Achtet man nun aber auf die Verwendung, die divide in Digital Divide meist zuteil wird, dann geht es in der Regel vor allem um Differenzen, die Spaltungen (also nicht bloße Differenzen) sind, und diese Spaltungen wiederum werden mit einem Innen/Außen-Unterschied konnotiert, der als Gegensatz – nicht nur als einfache Verschiedenheit – erfahren wird. Die Intuition, die diesen Gegensatz als ungerecht empfinden lässt, basiert dabei – soweit ich sehen kann – in den einschlägigen Texten auf der Voraussetzung, Gerechtigkeit sei nur gegeben, wenn eine Form von Gleichheit gewahrt wird. Diese wird in Bezug auf den Digital Divide vor allem als gleiche Zugänglichkeit des Innen wie des Außen akzentuiert, so dass der entsprechende Unterschied sich in den von Inklusion und Exklusion verwandelt. Hierbei wiederum scheint gerade die Exklusion als gleichheitsverletzender Gegensatz zur Inklusion betrachtet zu werden, während die Inklusion (in die Digitalität und die Netze) als mindestens unproblematisch wenn nicht wünschenswert oder geboten gilt.

In dieser Hinsicht geht es bei der Behandlung des Digital Divide um die Frage des “access” zu Information and Communication Technologies (ICTs) sowie zum Netz (etwa Wilson III, 2002), inzwischen aber auch breiter um den “Einsatz” (deployment) oder den “effektiven Einsatz” von ICTs und Netz zum Zweck “sozialer und ökonomischer Entwicklung”, wie sich der Digital Opportunities Task Force (DOT Force) mehrfach ausgedrückt hat (ictdevaganda 2002). Fehlt die Möglichkeit des access, werden ICTs vorenthalten oder sind Menschen von den Bedingungen (oder deren Herstellung oder Verschaffung) ausgeschlossen, die zu einem effektiven Einsatz von ICTs und Netz nötig sind, so besteht den entsprechenden Texten zufolge ein Ausschluss, der überwunden werden muss – weil er ungerecht ist. Ähnliches lässt sich für die Überlegungen von Manuel Castells (2001, 247-271) diagnostizieren. Dieser weist zunächst die Parallelen zwischen der Nutzung oder Nichtnutzung von ICTs und Netz mit anderen Differenzen auf, die je einen Ausschluss mit sich führen: Höheres und niedereres Einkommen (income divide), höherer und niedererer Bildungsgrad (education divide), Jung und Alt (age divide), Mann und Frau (gender divide), ethnologische Zugehörigkeit (ethnographic divide), Stadt und Land (geographic divide), “Erste” und “Dritte” Welt (global divide) etc. ICT-Nutzung oder Nichtnutzung, Net Divide (Netznutzung/-nichtnutzung) und Technology oder (technological) Quality Divide (Teilhabe/Nichtteilhabe an der technologischen Weiterentwicklung) können weitgehend diesen anderen divides zugeordnet werden und scheinen partiell diese zu vertiefen (wie etwa beim Einkommen bzw. den Chancen, an den Produktivitäts- und Reichtumsmöglichkeiten der informationell transformierten Wirtschaft teil zu haben). Auch der Text von Castells ist dabei von der Intuition getragen, dass diese divides zu überwinden seien, jedenfalls dort, wo sie den Ausschluss von Möglichkeiten sozialer und ökonomischer Entwicklung und so von einer Verbesserung des eigenen Lebensstandards bedeuten. Dieser Ausschluss erscheint ihm ebenso, wie anderen, als ungerecht.

So könnte es vielleicht hilfreich sein, den Konnex von Differenz und Inklusion/Exklusion in Blick zu nehmen, um der Gerechtigkeitsfrage in Hinsicht auf den Digital Divide näher zu treten. Dazu möchte ich die Begriffe Macht und Souveränität mit heranziehen und bei einer Beobachtung ansetzen, die sich in Giorgio Agambens (2002) provokantem Essay “Homo Sacer” findet: Agamben führt den Begriff der Souveränität in Anlehnung an Carl Schmitt ein und sieht sie darin gegeben, dass sie die Macht zur Setzung des Ausnahmezustandes sei (Agamben 2002, 25-40). Der Ausnahmezustand ist jener Zustand, der vom Recht – wenn wir sogleich etwas weiter extrapolieren: von jeder Ordnung und Regelhaftigkeit – “verlassen” (Agamben 2002, 28 et passim) ist, da er ja die Ausnahme von diesem bzw. von der Norm-alität bildet. Mit dem Ausnahmezustand produziert der Souverän so eine Alterität, die als eine Art Nicht-Recht diesem gegenübersteht und alles, das in diesem Zustand sich befindet, recht-los und norm-los macht. Zugleich aber setzt dies alles dem Ausnahmezustand Unterworfene nicht einfach frei, sondern raubt ihm vielmehr jede für Freiheit typische Beweglichkeit: In der Normlosigkeit des Ausnahmezustands fehlt jede Möglichkeit, sich auf die Strukturen der Normalität, auf Regeln und ihre Geltung zu berufen und so Boden für das eigene Verhalten und die Betreffbarkeit durch fremdes Verhalten zu gewinnen. Im Ausnahmezustand gibt es keine Berechenbarkeit und kein Halten, damit aber auch keinen Angelpunkt, von dem Bewegung ausgehen könnte. Die Haltlosigkeit darin ist so zugleich Bewegungslosigkeit, reine Betreffbarkeit durch den Souverän, Ausgeliefertsein an dessen blanke Macht. Dass diese Macht Gewalt ist, skizziert Agamben mit einer Parallele zu Thomas Hobbes – mit dieser Figur von Souveränität, die zugleich im Recht und außerhalb desselben zu stehen kommt, nimmt gewissermaßen der Naturzustand der blanken Gewalt Platz in der Gesellschaft, wird deren Angelpunkt (Agamben 2002, 46). Die Bewegungslosigkeit und die Betreffbarkeit durch diese Gewalt wiederum beschreibt er mit dem Begriff des Banns: Wer und was immer im Ausnahmezustand gefangen ist, befindet sich in einem Zustand des Gebanntseins (Agamben 2002, 39f).

Von hier aus können wir uns vielleicht verständlich machen, worin der Unterschied zwischen Differenz und Spaltung bzw. der divide besteht, um die es im Digital Divide geht: Differenz als Verschiedenheit bannt (noch) nicht, sie kann ohne Machtbezug gedacht werden und muss keinen Gewaltaspekt haben. Der Ausnahmezustand, den Agamben beschreibt, hingegen ist eine “einschließende Ausschließung” (Agamben 2002, 31), etwas, das nicht einfach nur ´außen vorlässt´ (wenn diese alltagssprachliche Wendung gestattet ist), sondern das ausgrenzt und zugleich das Ausgegrenzte fixierend einnimmt – was die Souveränität hier vornimmt, ist “Einnahme des Außen” (Agamben 2002, 29). Eben das scheint auch durch den Digital Divide zu geschehen. Er ist gleichfalls ein Ausschluss, eine Trennung zwischen denjenigen, die über ICTs und über Nutzungsmöglichkeiten bezüglich des Netzes verfügen, und denjenigen, denen dieses nicht einfach nur vorenthalten ist, die nicht einfach aus diesen Möglichkeiten ausgeschlossen – exterritorial zu diesen – sind. Vielmehr handelt es sich um einen Ausschluss, der die Ausgeschlossenen zugleich unbeweglich betreffbar macht durch die ICT- und netzgenerierte Macht, die ihre Kulturen und Lebenswelten gerade auch dadurch verwandelt und vielleicht ruiniert, dass sie von der digitalen Sphäre (und ihrer Politik und Wirtschaft) tangiert werden, ohne mit eigener Handlungsmöglichkeit in ihr auftreten zu können. Diese Befindlichkeit thematisiert im übrigen auch Castells (2002, 270): Er diagnostiziert, dass inzwischen keine Möglichkeit mehr besteht, die eigene persönliche und kollektive kulturelle Entwicklung in einem Schonraum jenseits der globalen informationstechnologischen Entwicklung zu suchen. Die “Netzwerklogik” scannt den Globus gewissermaßen auf Gelegenheiten für ihre eigene Fortentwicklung und “links up what it needs for it´s programmes goals – and only what it needs” (Castells 2002, 270). Die Fragmentierung der Gesellschaften und des Globus, die Marginalisierung und eine Verschärfung der zeitgleichen Produktion von Armut und Verelendung zusammen mit Reichtum und Luxus sieht Castells diesem Prozess unabdingbar eingeschrieben (Castells 2002, 254, 264). Das verweist zudem darauf, dass wir es im Machtzusammenhang des bannenden Ausschlusses, den der Digital Divide schafft, mit einem auch gewaltförmigen Zusammenhang zu tun haben.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wäre dann das Phänomen des Digital Divide dort zu diagnostizieren und zu überwinden, wo eine Bann-Beziehung zwischen der digitalen Sphäre und den von ihr Ausgeschlossenen besteht. Die Intuition, dies sei ein Skandal, verletze Gleichheit und Gerechtigkeit, ließe sich des weiteren eventuell als eine erschließen, die letztlich vom Gedanken der Subjektivität beseelt ist: Wenn die Minimalbestimmung von Subjektivität in Vernunft und Freiheit besteht, dann wäre durch diese bannende Spaltung eben der Freiheitscharakter vermittels verunmöglichter freier Bewegung getroffen – und in dieser Verunmöglichung eine (andere?) Form von Souveränität, die der Selbstbestimmung. An dieser Stelle angelangt aber, könnten wir dann den ersten Teil unseres Trialogs mit einer Reflexion über die mindestens seit dem Diskurs der Kritischen Theorie (wenn nicht länger) nicht mehr unschuldig erscheinende Subjektivität fortsetzen, die jedenfalls notwendig wäre, wenn sich Gerechtigkeitsintuitionen an den Subjektgedanken geknüpft erweisen. Und wir hätten zu sprechen über das Verhältnis von Subjektivität, Macht und Differenz, das ja zentraler Gegenstand der dekonstruktivistischen Diskurse war, die auch Agamben inspiriert haben.

R.M.S.: Rafael begann unseren Trialog mit einer Ortsbestimmung des Digital-Divide-Diskurses. Wir dürften diesen Diskurs nicht unter der Voraussetzung führen, dass das digitale Kommunizieren von Hause aus besser als das nichtdigitale Kommunizieren sei. Wir müssten eine Position der 'Beobachtung zweiter Ordnung' von digitaler und nichtdigitaler Kommunikation suchen und hätten von dort aus über den Digital Divide zu befinden. An diese Überlegung knpfe ich an. Zunächst will ich ein paar Gedanken zur Operation des Beobachtens vortragen, dann werde ich kurz auf den Rechtfertigungszwang zu sprechen kommen, den eine bestimmte 'Beobachtung zweiter Ordnung' unserem Gespräch auferlegt.

Dass Rafael den systemtheoretischen Terminus 'Beobachtung zweiter Ordnung' bemüht, ist mir Anlass, meine Ausführungen über die Beobachtung zumindest in Sichtweite zur Luhmannschen Systemtheorie zu halten. Nach Luhmann (und Herbert Spencer Brown) heißt Beobachten, eine Unterscheidung zu handhaben, die noch einmal auf einer fundamentaleren Unterscheidung beruht: der von Beobachter und zu Beobachtendem, eine Unterscheidung, die ihrerseits nicht beobachtet wird. Also: Der Beobachter trennt sich von dem, was er beobachten will und sortiert es auf Grundlage einer Unterscheidung. Eine solche Unterscheidung könnte die zwischen digital haves und have nots sein, und die Einheit dieser Differenz, die sie von anderen Differenzen und damit von anderen Beobachtungsvorgängen unterscheidet, hieße 'Beobachtung des Digital Divide'. Nun können wir aber nicht umhin festzustellen, dass wir mit jedem Wort, das wir über die Tastatur eingeben und das vor uns auf dem Bildschirm erscheint, mit jeder e-mail, die diesen Trialog um eine Wortmeldung weiterbringt, performativ bekunden: wir sind digital haves. Wir selbst sind also die eine Seite der Unterscheidung, die uns in ein Verhältnis zu dem zu Beobachtenden setzen soll. Dieser sog 're-entry'-Situation (der Wiedereintritt des Unterscheidenden in seine eigene Unterscheidung) kann man nach Luhmann durch soziale oder zeitliche Vernetzung das Paradoxale nehmen (vgl. Luhmann 1994, 78). Das heißt: Wir könnten Ausschau halten nach geeignetem Personal zur Handhabung der Unterscheidung von digital haves und have nots, wenn wir schon selbst nicht dieses Personal sind (soziale Vernetzung). Oder wir könnten auf Grundlage der fundamentalen Unterscheidung Jetzt/Früher unsere Beobachtung vollziehen (zeitliche Vernetzung). Dann müssten wir vermutlich als Historiker der 1990er Jahre über den Digital Divide sprechen. Uns ist aber an einer Reflexion der aktuellen Situation gelegen. Meine Vermutung lautet: Die Unterscheidung von digital haves und have nots kann nicht die Leitdifferenz unserer Beobachtung sein, sie ist die von uns nicht beobachtbare fundamentale Unterscheidung, die uns vom Gegenstand unserer Beobachtung trennt. Wir, die Bewohner der einen Seite der digitalen Spaltung, beobachten jene, die auf der anderen Seite dieser Spaltung stehen. Die Unterscheidungen, die wir dann bei dieser Beobachtung handhaben, sind die von Thomas Hausmanninger erwähnten verschiedenen Divides (income divide vs. education divide vs. age divide vs. gender divide vs. ethnographic divide usf.).

Und so scheint mir unser Gespräch und unser ganzes Buch dem nahe zu kommen, was Michel de Certeau (1991, 14) “Heterologie” nennt, Diskurs über das Andere. Heterologien sind nach de Certeau ein für die abendländische Moderne typisches Verfahren zur Erkenntniserzeugung. Diese Art Erkenntnis “stellt sich im Verhältnis zum Anderen her; sie bewegt sich (oder ‚schreitet’) fort, indem sie das verändert, was sie aus ihrem ‚Anderen’ – dem Wilden, der Vergangenheit, dem Volk, dem Wahnsinnigen, dem Kind, der Dritten Welt – macht” (de Certeau 1991, 13). Dass jede Heterologie mit Macht zu tun hat, leuchtet unmittelbar ein. Es ist die Macht, einen Ort zu haben, der als etwas Eigenes beschrieben werden kann (systemtheoretisch: ein beobachtendes System) und der als Basis für die Organisierung von Beziehungen zu einer Exteriorität (systemtheoretisch: die beobachtete Umwelt) dient (vgl. de Certeau 1988, 87). Die Heterologie ist geschützt durch ihren Ort des Eigenen, ihre Logik, ihre Terminologie. Sie “bannt” – um ein Stichwort von Thomas Hausmanniger aufzugreifen -, das Andere, indem sie es benennt.

Ich möchte deshalb die nahe liegende Frage stellen, ob nicht auch notwendig unser Digital Divide-Diskurs Teil der bannenden Operation ist, die er kritisiert, - zumindest soweit er auf Seiten der digital haves stattfindet, ihr Wissen erweitert ggf. und sie befähigt zu Brückenschlägen über den digitalen Graben. Selbst wenn unser Diskurs erfolgreich wäre und einen kleinen Beitrag zur Überwindung der digitalen Spaltung leistete, so erzeugte er dadurch wieder nur eine neue Spaltung: zwischen denen, die Macht zu dieser Überwindung hatten und denen, die sie nicht hatten. Die Fortsetzung der Spaltungen halte ich für unvermeidlich, ich schlage lediglich vor, sie nicht durch eine wohlfeile Rhetorik der Empathie zu verschleiern. Wir führen diesen Diskurs als Machthaber und unsere Macht wird durch ihn nicht gefährdet.

Wie angekündigt will ich jetzt noch kurz eine Beobachtung zweiter Ordnung zur Sprache bringen. Beobachtung zweiter Ordnung ist nach Luhmann eine Beobachtung des Beobachtens (vgl. jüngst noch einmal Luhmann 2003, 155ff). In unserem Fall bezieht sich die Beobachtung erster Ordnung auf die verschiedenen schon genannten Digital Divides vom income divide bis zum qualitity divide, die Einheit ihrer Differenz heißt 'Beobachtung der digital Getrennten'. Die Beobachtung zweiter Ordnung sieht nun diese 'Beobachtung der digital Getrennten' in Differenz zu anderen Beobachtungsmöglichkeiten. Man könnte ja auch die Armut in der Welt, die Wasserknappheit, die diversen Bürgerkriegsherde oder die epidemiologische Situation im südlichen Afrika beobachten. Und in der Tat müssen wir mit der Frage rechnen, warum wir uns – gerade angesichts der anderen Beobachtungsmöglichkeiten – just für die Beobachtung der digital Getrennten entschieden haben. Dies gilt zumindest für die Dimension des globalen Digital Divide. Würden wir drei uns in diesem Moment in irgendeinem Dorf südlich der Sahara befinden, unsere erste Feststellung würde sicher nicht lauten: Hier fehlen Computer und Netzanschlüsse. Es ist aber nicht ganz unwahrscheinlich, dass wir auf Anhieb sagen müssten: Hier fehlen Erwachsene. Im südlichen Afrika gibt es Dörfer, die nur noch von Kindern bewohnt werden, weil die Erwachsenen an Aids gestorben sind. Von den derzeit 42 Millionen HIV-Infizierten leben 29,4 Millionen südlich der Sahara (vgl. Hürten-Kirsch 2003, 648), gebietsweise liegt hier die Lebenserwartung nur noch bei 35 Jahren, ein Wert, auf den Mitteleuropa kaum einmal während des Dreißigjährigen Krieges absackte. Sicher gehört das südliche Afrika auch auf die andere Seite der digitalen Spaltung (vgl. http://www.nua.com/surveys/how_many_online/africa.html) und kommt damit als Gegenstand unserer Beobachtung in Frage. Aber stehen wir angesichts der eben genannten Zahlen nicht unter dem Verdacht, eine im Elend ertrinkende Weltgegend in einer echten Marginalie kurieren zu wollen? Frei nach Marie Antoinette: 'Das Volk hat Aids? So soll es doch Internetzugang bekommen.' Ich glaube, wir müssen uns mit diesem möglichen Vorwurf aus der Sicht eines Beobachters zweiter Ordnung auseinander setzen.

Das Internet im Ausnahmezustand?

R.C.: Ich stimme mit Thomas darin überein, dass der Begriff divide besonders problematisch ist, denn, wie Mark Warschauer mit Recht betont (Warschauer 2002), dieser Begriff suggeriert eine Zweiteilung oder Spaltung zwischen "haves and have-nots", die es so nicht gibt, besonders im Hinblick auf die unterschiedlichen technischen Formen und Abstufungen des Netzzugangs und vor allem in bezug auf das viel grundlegendere Problem der Ausbildung ("computer literacy") oder vielmehr auf die verschiedenen Formen von Bildung überhaupt, so dass es auch fraglich wäre, von einem "literacy divide" zu sprechen, sofern dadurch ein kultureller Maßstab vorausgesetzt wird. Gleichwohl gehören Lesen und Schreiben zu jenen grundlegenden kulturellen Techniken, die eine conditio sine qua non auch für die ökonomische Entwicklung darstellen. Mit anderen Worten, "literacy" und "biteracy" gibt es nicht an sich, sondern immer nur in bezug auf bestimmte soziale und kulturelle Praktiken sowie auf die konkreten Bedürfnisse oder auf die Faktizität einer Gemeinschaft. Physische Artefakte wie Bücher, Zeitschriften oder Computer haben einen Sinn nur in einem Netz von Bedeutungs- und Verweisungszusammenhängen, in einer "Welt" (Heidegger) also,  die ihnen unterschiedliche Möglichkeiten von Bedeutsamkeit eröffnet.

Sofern aber menschliche Kommunikation sich immer mehr auf das digitale Medium verlagert und dieses zu einem entscheidenden Faktor des ökonomischen Fortschritts wird, scheint mir die Frage nach einem Recht auf digitaler Kommunikation nicht von der Hand zu weisen, ohne dass dadurch eine direkte Kausalität zwischen Vernetzung und ökonomischer Fortschritt impliziert wäre. Insofern sollten wir, wie Thomas meint, nicht nur von den zu wahrenden sozialen und kulturellen Differenzen, sondern vor allem von solchen, die sich zu Spaltungen und somit zu Ausschlußstrukturen verfestigen, sprechen. Paradoxerweise war das Netz zunächst eine Hoffnung, solche Spaltungen, die aufgrund mangelnder Bildungschancen oder durch geographische und politische Begebenheiten entstanden waren, zu überwinden. Wem gehört aber dabei die Macht solches zu tun?

Damit stellt sich die von Agamben aufgeworfene Frage nach der Setzung des Ausnahmezustands in bezug auf die digitale Welt oder sie spitzt sich dort empfindlich zu. Wir erinnern uns an John Perry Barlows "Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace" (Barlow 1996), die sowohl eine fundamentale Spaltung zwischen der digitalen und der analogen Welt postulierte, um anschließend die Normen der analogen Welt als gegenstandslos im Cyberspace zu proklamieren. Barlow meinte eine Welt der Kommunikation ohne Körper: "ours is a world that is both everywhere and nowhere, but it is not where bodies live" (a.a.O.). Eine solche engelische Welt von ausgeschlossenen oder vielmehr von sich selbst ausschließenden Menschen, oder von "homines sacres" im Gegensatz zur "homines sancti", kehrt scheinbar das Stigmata des Ausschlusses in einen Vorzug um, zahlt aber dafür einen sehr hohen Preis, nämlich den Ausschluß der Leiblichkeit. Mit anderen Worten, eine solche quasi-engelische Kommunikation ist weder eine menschliche noch eine rein geistige, da sie technisch materiell vermittelt ist. Sie läßt sich dementsprechend weder moralisch noch rechtlich normieren, da solche Handlungsnormen nur dann einen Sinn haben, wenn wir mit der Spannung zwischen dem Möglichen und dem Notwendigen oder zwischen Offenheit und Faktizität zu tun haben. Wenn also Barlows Unabhängigkeitserklärung nur eine Form des "unglücklichen Bewußtseins" (Hegel) ist, stellt sich um so dringender Agambens Frage, zumal in Zeiten, in denen ein solcher Zustand, wie in der gegenwärtigen Nachkriegsdebatte um die neue Weltordnung, virulent geworden ist. Agamben selbst bezeichnet den heutigen "Ausnahmezustand als Weltordnung" (Agamben 2003). Wenn das für die physische Welt gilt, dann um so mehr für jene digitale Welt, die wie kaum eine andere, die militärische, ökonomische und soziale Macht der Supermacht bedingt.

Wenn scheinbar niemand das Netz regiert, dann befindet sie sich diese de facto im permanenten Ausnahmezustand und Cyberpartisanen können jederzeit als "detainees" in Gewahrsam genommen werden jenseits vom international verbürgten Recht und Gesetz. Aus der Sicht von Hans Magnus Enzensberger hatte der Irak-Krieg eine moralische Rechtfertigung, da nämlich dadurch der Irak und die Welt von einem Gewaltherrscher befreit wurde. Andere Tyrannen mögen von nun an zitttern. Wenn diese Ausnahme als Regel gilt, dann könnte und sollte sogar die Weltmacht solche moralischen Maßstäbe auch in der digitalen Welt durchsetzen, um die Welt von den digitalen Machenschaften des Bösen von der Kinderpornographie bis zum politischen Radikalismus zu befreien. Demgegenüber sieht Habermas die normative Autorität Amerikas "in Trümmern" (Habermas 2003). Er schlägt statt der "dummen Alternative von Krieg oder Frieden", eine Prävention auf einer anderen "operativen Ebene" vor, nämlich eine internationale Vernetzung staatlicher Nachrichtendienste und Strafverfolgungsbehörden. Will man aber dadurch ein polizeiliches hobbistisches Sicherheitssystem im Netz vermeiden, eine globale digitale surveillance, dann  kann Netzgerechtigkeit nur mit Rücksicht auf unterschiedliche Internetmoralen stattfinden, die sich zwar, so Habermas, einem universalistischen Diskurs von Demokratie und Menschenrechten öffnen, ohne aber ihre kulturellen Lebensformen, ihr 'ethos' also, aufzugeben. Hier gilt es demnach weniger das Streben nach Konsens als die Frage, wie Mehrstimmigkeit sich gegenseitig zu Gehör bringen kann. Das Gegenteil davon ist das, was Wolfgang Kleinwächter in Anschluß an Lawrence Lessig als das Dilemma des digitalen Denkens bezeichnet, nämlich das Denken im binären schwarz-weiß-Schema, Netzchaos vs. Netzgerechtigkeit, "Extremismus vs. Normalismus" (Kleinwächter 2003).

Damit würden wir, wie Rupert mit Recht bemerkt, innerhalb dieser Unterscheidung operieren. Das wir zu einer solchen Beobachter- perspektive nicht einfach ausgeliefert sind, zeigt sein Sahara-Beispiel. Wenn ich Luhmann richtig verstehe, bedeutet die Grundunterscheidung Beobachter/Beobachtendem 'nur' die Feststellung, dass es keinen archimedischen Punkt gibt, von dem aus, alle möglichen Unterscheidungen zu beobachten wären, ohne selbst dabei wiederum eine Perspektive, und sei es die des Schöpfers, einzunehmen. Diese Einsicht findet sich z.B. auch in Kants Begriff des "intellectus ektypus" oder in Heideggers Begriff der Faktizität. Sich dem von Rupert angesprochenen Vorwurf aussetzen, bedeutet sich dem Anderen des Digitalen zu öffnen. Der Digital Divide operiert in der Tat aus der Perspektive des Digitalen und beobachtet alles andere als das Noch-nicht-Digitale oder, mit anderen Worten, der aus dieser Perspektive operierende Beobachter hat nur Augen und Ohren für das Digitale und das Digitalisierbare -- und sonst nichts. Mit einem berühmten an Heidegger erinnernden und oft als logische Fehlleistung stigmatisierten Aufruf, könnten wir fragen: Wie steht es um dieses 'nichts'? Ich schreibe 'nichts' ausdrücklich klein, um jedes (?) Mißverständnis einer Substantialisierung  auszuräumen. Gemeint ist damit, das wir uns gegenwärtig innerhalb des Weltentwurfs einer digitalen Ontologie befinden (Capurro 2003), uns aber zugleich der Faktizität einer solchen, wie man früher zu sagen pflegte, Weltanschauung bewußt sein können.

Was uns Anlaß zu einer solchen awareness gibt, soll ausgerechnet, wie Gianni Vattimo im Hinblick auf eine kontingente oder "schwache" Gerechtigkeitsauffassung betont, eine "nihilistische Perspektive" sein, die uns erlaubt, sozusagen verschiedene Götter oder Gerechtigkeitsideale walten zu lassen, um sie zugleich in bester rationalistischer Manier zu "falsifizieren" (Karl Popper) oder ihre scheinbare Selbstverständlichkeit in Frage zu stellen. In diesem Sinne ist Gerechtigkeit, wie Rupert betont, wesensmäßig heterolog oder, noch stärker ausgedrückt, heteronom. Es ist der Andere oder sein Angesicht, um mit Emmanuel Lévinas zu sprechen, von wo aus die Botschaft der Gerechtigkeit herkommt, die mich, als Individuum oder als Gesellschaft, zur Aufgabe meiner Unterscheidung und somit meiner Macht auffordert. Primum vivere, deinde computare. Daraus aber eine konkrete politische Richtlinie, etwa nach dem Motto 'erst alle Wasserprobleme dieser Welt lösen, danach eventuell an das Internet denken', wäre eine fatale Vereinfachung der kausalen Verflechtungen z.B. zwischen digitaler Vernetzung und Chancen ökonomischer Entwicklung. Manchmal können bits auch zu einer besseren und schnelleren Lösung der Wasserversorgung dienen. Die Frage ist nur, ob dies tatsächlich der Fall ist. Diese Frage ist dann, in einem umfassenden Sinne, eine Gerechtigkeitsfrage, die die in sich geschlossene Perspektive des Digital Divide sprengt. Die Möglichkeit solche 'Spreng-Sätze' wahrnehmen zu können, gibt einen, zugegeben, schwachen Grund zu Optimismus.

Th.H.: Die Frage, ob und unter welchen Umständen sich das Internet im Ausnahmezustand befindet, ist interessant. Wie Rafael sie eingeführt hat, betrifft sie jedoch so etwas wie die Herstellung eines einschließenden Ausschlusses aus der digitalen Kommunikation nachdem zuvor bereits Zugang zu dieser  gegeben war  – und so einerseits ein Thema des  Net Divide  und darin ein (wenngleich wichtiges) Folgeproblem, das erst auftreten kann, wenn dieser  Net Divide  zuvor bereits einmal überwunden wurde. Ich will gleichwohl dennoch diese Frage nach dem Internet im Ausnahmezustand zum Angelpunkt  einiger Überlegungen machen, um mit diesen nochmals auf das Phänomen des einschließenden Ausschlusses zu reflektieren und dieses aus einer anderen Perspektive zu vertiefen. Von dort aus möchte ich dann auf  Ruperts Anfrage eingehen, in welcher Position wir über den  Digital Divide und die von ihm Betroffenen  bzw. über Dritte  reden, die wir durch unseren Diskurs zu solchen Betroffenen erklären. Zu guter Letzt möchte ich schließlich noch darauf eingehen, was in diesem Zusammenhang Gerechtigkeit  wäre und wie wir zu ihrem Begriff kommen (es ist dies die Frage der Notwendigkeit oder Verzichtbarkeit einer Subjektposition für die ethische Rede).

Das Internet im Ausnahmezustand – diese Problematik ist nach Rafaels Part nun in zwei Richtungen akzentuiert: Einmal im Sinn des Verhältnisses der staatlichen Rechtssetzung bzw. des staatlich-polizeilichen Handelns gegenüber der Netzkommunikation. Dieser Aspekt führt in wichtige und weithin ungeklärte Bereiche der Problematiken der Freiheit der Netzkommunikation, der Kommunikationskontrolle und der governance des Netzes (siehe auch Band 2 der Schriftenreihe). Das Machtverhältnis, um das es hierbei geht, ist eines zwischen verschiedenen Akteuren, die über die digitalen Möglichkeiten (zunächst einmal) verfügen und sozusagen in einen Konflikt über den Umfang bzw. die künftige Verfügung geraten. Der staatliche Akteur übt seine Macht dabei zugleich netzextern, etwa durch Zensur, Löschen, Filtern etc. aus. Eine Machtausübung dieser Art könnte kleinräumiger auch gedacht werden als zensierendes oder filterndes Handeln eines Providers – und geschieht beispielsweise bis zu einem gewissen Grad, wenn Provider ein "familienfreundliches Internet" anbieten wollen, indem sie von vorneherein nach ihren eigenen Wertstandards Gehalte blockieren. Es fragt sich allerdings, ob diese Problematik bereits mit dem Begriff des Ausnahmezustands zutreffend gefasst ist. Um diesen diagnostizieren zu können, dürfte jedenfalls keine Gegenmacht mehr mobilisierbar sein und  keine Mitsprache der Betroffenen (etwa bei der Festlegung der Normen der governance) stattfinden. – Zum zweiten lässt sich das Problem im Sinn des Verhältnisses der Diskurse innerhalb des Netzes zueinander betrachten. Als Machtverhältnis stellt sich dieses dar, wenn ein Diskurs den anderen oder die anderen zu hegemonialisieren beginnt. Dieses Phänomen hat zunächst einmal mit dem Net Divide und dem Digital Divide nichts zu tun – es handelt sich ja nicht um einen bannenden Ausschluss aus dem Netz und der digitalen Kommunikation schlechthin, sondern um einen Ausschluss aus einer bestimmten Kommunikationssituation oder einem Themenbereich.

Für eine Näherbestimmung des Ausnahmezustandes in Bezug auf das Internet und für eine differenzierte Reflexion des einschließenden Ausschlusses ist es gleichwohl dennoch hilfreich, bei diesem letztgenannten Phänomen anzusetzen. Von ihm her lässt sich nämlich die Frage nach dem möglicherweise bannenden Verhältnis von Diskursen zueinander stellen und so der Begriff des Ausnahmezustandes nochmals genauer fassen. Hierzu möchte ich einige Elemente der hochauflösenden Diskursanalyse von Jean-Francois Lyotard heranziehen (Lyotard 1987). Lyotard zeigt, dass sinnhafte Sätze sich innerhalb von Diskursarten ergeben und diese sich wiederum nicht einfach ineinander übersetzen, aneinander anschließen oder wechselseitig voneinander aufnehmen lassen, ohne ein "Unrecht" zu verursachen. Mit Bezug darauf kann man den Begriff "diskursive Macht" (Matthias Kettner, in diesem Buch, 155f.) einführen: Diskursive Macht(übung) findet sich, wo eine Äußerung, ein Satz, ein Diskurs von einem anderen, der nicht derselben Diskursart angehört, eingeholt, reskribiert, interpretiert etc. wird. Das Erstgenannte wird dann Objekt (Referent) dieses zweiten, sich ihm überordnenden Diskurses, der gewissermaßen die 'Subjetkstellung' beansprucht. Das kann vermerkt geschehen, wenn der zweite Diskurs sich als Metasprache versteht und der erste Diskurs als Objektsprache zum Gegenstand gemacht wird; es kann unvermerkt geschehen, wenn der zweite Diskurs sich nicht als solcher, vom ersten abgesondert versteht, sondern den ersten Diskurs als im selben Kontinuum befindlich behandelt, wie er selbst es ist.

Ist dies schon ein einschließender Ausschluss im Agambenschen Sinn? Lyotard nennt jede Hegemonialisierung einer Diskursart durch eine andere "Unrecht" und legt diesen Schluss nahe. Doch erläutert er den Begriff des Unrechts dann dadurch, dass er sich mit dem Unrecht auseinandersetzt, das den Opfern von Ausschwitz und den Überlebenden von jenen angetan wird, die den Holocaust leugnen. Im Lauf des Buches kommt er dabei auch auf den nazistischen rassistischen Diskurs und das Vernichtungshandeln der SS zu sprechen. Hier nun lohnt es sich, genauer zuzusehen. – Zunächst schildert Lyotard das Unrecht, das die Leugner des Holocaus den Opfern und Überlebenden antun. An einer häufig zitierten Stelle des Buches verweist Lyotard darauf, dass diese Leugner eine unerfüllbare Forderung aufstellten, nämlich, dass wer die Existenz der Gaskammern belegen wolle, sie mit eigenen Augen gesehen und überlebt haben müssen – eine Unmöglichkeit (Lyotard 1978, 18). Diese Forderung erscheint als 'argumentativer' Diskurs, an dessen 'Rationalität' nicht zu zweifeln sei, lässt jedoch dadurch den Diskursen der Überlebenden keine Chance auf den Wahrheitserweis des Holocaust und beschädigt so auch die Opfer. Für Lyotard ist dies schon der einschließende Ausschluss: In seinem Raum scheinen die betroffenen Überlebenden (wie auch die Toten) den diesen Diskurs verfügenden Leugnern ausgeliefert zu bleiben, da ihnen nichts ermöglicht, in den Diskurs dieser Leugner einzutreten, ihn zu ihrem eigenen zu machen, wenn sie ihre eigene Wahrheit nicht preisgeben wollen. Die Überlebenden sind daher ohnmächtig, Opfer. Opfer zu sein nämlich "bedeutet, nicht nachweisen zu können, dass man ein Unrecht erlitten hat" (Lyotard 1987, 25). Oder anders: Das Unrecht besteht geradezu in einem "Schaden, der nicht nachgewiesen werden kann, da die Mittel dazu verloren gegangen sind" (Lyotard 1987, 20).

Später im Buch kommt Lyotard dann auf das Vernichtungshandeln der SS zu sprechen und bringt dies in enge Verbindung mit dem nazistisch-rassistischen Diskurs, der die Juden als das schlechthin Andere der Arier – also in einem Heterolog als die identitätsstiftende Alterität – bestimmt. Dieser Heterolog ist jedoch alles andere als im de Certauschen Sinn 'produktiv': Der Arier steht für Leben, Produktivität, Existenz, wenn man so will: das 'Sein', schlechthin; dem Juden wird daher schlankweg die Existenzlosigkeit, die Nichtigkeit und so die Vernichtbarkeit zugemessen. Der nazistische Diskurs ist entsprechend total und annihilistisch. Total, da er (mit Blick auf die Luhmannsche Terminologie gesprochen) nur die eine Seite der Unterscheidung gelten lässt, annihilistisch, da er im re-entry die andere Seite der Unterscheidung real in das überführt, was sie im Diskurs schon immer gewesen ist, nämlich das Nichts. "Der Nazismus erwartet vom Nicht-'Arier' nichts, außer, dass seine Existenz nicht mehr erscheine" (Lyotard 1987, 177). Das ist das Spezifische des nazistisch-rassistischen Diskurses bzw. Heterologs – er muss sich geradezu im Vernichtungshandeln der SS 'bewahrheiten', denn nur dann kann er sich im re-entry bestätigt wiederfinden. Oder anders gesagt, zum totalen nazistisch-rassistischen Diskurs gehört der Vollzug des Annihilismus als seine Performanz. Das von Rupert mit Luhmann genannte Paradox wird nicht durch soziale oder zeitliche Vernetzung 'aufgehoben', sondern durch Mord.

Erst hier ist deshalb – wie ich Lyotard gegen seine erste Bestimmung des Begriffs weiterlese – wirklich der einschließende Ausschluss gegeben, oder genauer gesagt, eerst hier erreicht dieser seine Vollform, 'kommt zu sich' in seinem Begriff. Diese (heterologe) Diskursformation erst konstituiert den Ausnahmezustand, der den Eingeschlossenen blanker, willkürlicher Gewalt ausliefert – und erst diese Diskursformation, deren Performanz der Annihilismus ist, kann selbst als einschließender Ausschluss verstanden werden. Nur so gedacht, meine ich, ist einsichtig, weshalb Lyotard feststellen kann, dass bei diesem einschließenden Ausschluss die der Vernichtungsmacht Unterworfenen in keiner Weise und auf keiner Ebene als mit den Unterwerfenden/Vernichtenden verwandt, zu einem "Wir" verbindbar, in ein gemeinsames Sprachgeschehen einbeziehbar behandelt werden (Lyotard 1987, 172f.). Es gibt keine Diskursart, die die Unterwerfer/Vernichter mit den Unterworfenen/Vernichteten gemeinsam hätten – doch zum bannenden Ausschluss, der willkürliche Gewalt einschließt, gerät dies erst dadurch, dass der heterologe Diskurs spezifisch im skizzierten Sinn zum totalen und annihilistischen Diskurs wird.

Dies ist im ersten Fall des Widerstreits zwischen den Leugnern des Holocaust und den Überlebenden noch nicht gegeben. Lyotard und ebenso wir können gegen diese Leugner durchaus von der Wirklichkeit des Holocaust sprechen. Obschon, wie Lyotard anführt, viele Dokumente, die den Holocaust historisch belegen, vernichtet sein mögen, kann er historiographisch dargelegt werden. Ebenso können die Überlebenden über die Vernichtung Dritter berichten, deren Umstände sie erlebt haben. Damit können Argumente vorgebracht werden, die für den Diskurs der Leugner nicht irrelevant sein können, wenn dieser sich denn als argumentativ verstehen will. Argumentativität muss beispielsweise auch die Zeugenschaft Dritter einschließen. Der Abschluss des Diskurses der Leugner durch Beschränkung auf das genannte Kriterium der Beweisführung impliziert deshalb ein außersprachliches Verhalten, nämlich die konstante Weigerung, sich auf die Argumentation der Gegenseite einzulassen.

Dies verdeutlich dreierlei: Zum einen überzieht Lyotard die Diskursanalyse, wenn er Diskurse wie Monaden behandelt, die keinerlei Anschlüsse aneinander finden können (dazu gleich mehr) und sich – wie es beim argumentativen Diskurs durchaus möglich wäre – vogeblich nicht durch Benennung formaler Regeln übergreifend typisieren lassen. (Oder nahe an Lyotards Begrifflichkeit gesagt: Argumentation wäre ein Satz-Regel-System, dem der Diskurs der Leugner ebenso gehorcht, wie der Gegendiskurs der Opfer und das es dann – als das 'Übergreifende' bzw. als Brücke zwischen den Diskursen, – sofern in diesen noch andere Satz-Regelsysteme vorkommen – ermöglicht, den Diskurs der Leugner durch den der Opfer aufzubrechen. Eben deshalb kann sich der Diskurs der Leugner letztlich nur durch eine Weigerung wirklich gegen den der Opfer abschließen.) Zum anderen aber zeigt sich nochmals, dass der einschließende Ausschluss Gewalt impliziert – schon bei Agamben ist dies daher benannt, wie oben zu sehen war. Erst in der vernichtenden Gewalt findet der Ausschluss dabei seinen Abschluss und kommt der Ausnahmezustand zu seinem Vollbegriff.

Dies ist wesentlich, denn solangekein in irgendeiner gewaltübenden Weise gesetztet Abschluss erfolgt, ist es noch möglich, Gegenmacht und Gegendiskurse zu mobilisieren. Zum dritten kann man eine weniger strikte Form des einschließenden Ausschlussesnun dort ausmachen, wo mit sprachlichen oder außersprachlichen Mitteln Gegendiskurse verhindert werden bzw. Diskurse sich eigentlich möglichen Anschlüssen oder für sie aufnahmefähigen, jedoch sie verändernden Inputs schlankweg verweigern und es für die Betroffenen keinen Ausweg aus dieser Situation gibt. (Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Kinder einer beständigen Verachtung oder Diskriminierung durch ihre Eltern ausgesetzt sind und ihrer eigenständigen Selbstdefinition und Integrität, die erst im Entstehen begriffen sind, keine Chance gelassen wird.) Auch hier findet dann Gewalt statt, jedoch nicht in ihrer totalen Form der Tötung. An dieser Stelle ist deshalb die erste Fassung des einschließenden Ausschlusses bei Lyotard anzusiedeln, die sich mithin als potentielle Installieren des Ausnahmezustandes bzw. als Versuch zu dessen Installierung auffassen lässt.


Damit lässt sich nun differenzieren und auf die von Rupert gestellte Anfrage eingehen: Im Ausnahmezustand befindet sich nicht schon ein Diskurs oder jemand, der ihn führt, wenn dieser Diskurs bzw. der ihn Führende zum Gegenstand eines anderen Diskurses wird. Die Rede in der Dritten Person  über Betroffene oder die Verhandlung von in einer Diskursart konstituierten Gegenständen in einer anderen Diskursart ist noch nicht  per se identisch mit dem einschließenden Ausschluss. Was sich hier zeigt, ist vielmehr zunächst einmal diskursive Macht bzw. auf der Ebene der Performanz eine diskursive Machtaktion. Macht ist zu unterscheiden von Gewalt, wenngleich sie sich oft mit dieser paart und jedenfalls Gewalt eine gewisse Mächtigkeit voraussetzt, um überhaupt stattfinden zu können. Gewalt im eigentlichen Sinn sei dabei verstanden als "die Beeinträchtigung oder Verletzung der psychischen und/oder physischen Integrität eines leibgebundenen Vernunft- und Freiheitswesens, die durch eine absichtliche Machtaktion eines Individuums oder einer Gruppe hervorgerufen wird" (Hausmanninger/Bohrmann 2002, 32). Sie kann ein außersprachliches aber auch ein sprachliches Handeln sein. Ihre Totalität findet sie im Töten (Sofsky 1960). Zugleich stellt sich in diesem äußersten Punkt der Gewalt, der ihren Vollbegriff ausmacht, unvermeidbar der Ausnahmezustand her.

Dieser ist mithin auf jeden Fall für die Betroffenen einer Gewaltübung gegeben, nicht unversehens hingegen schon dort, wo Macht auftritt (zu hieraus notwendig werdenden Erweiterung des Gewaltbegriffs komme ich noch). So lange der dadurch einem Hegemonialisierungsversuch unterworfene Diskurs bzw. der betroffene Akteur darauf reagieren und also Gegenmacht in Anschlag zu bringen versuchen kann, haben wir es vielmehr mit einem Widerstreit zu tun. Dabei gilt einmal, dass die hegemoniale Position nicht ohne weiteres und dauerhaft mit diskursiven Mitteln herzustellen ist. Da es die Sprache als ein für allemal ausdefinierten Fundus von Möglichkeiten des Sprechens nicht gibt, kann kein Diskurs mit Bezug auf jene als gewissermaßen transzendentale Instanz der Letztbegründung seine eigene Stellung als endgültig bzw. alleingültige behaupten. Und es gibt keine Möglichkeit, ein für allemal einen Kanon von Diskursarten zu fixieren, in dem sich dann eine Hierarchie legitimer und illegitimer Diskurse mit einem 'Spitzendiskurs' feststellen ließe. Die Sprache steht vielmehr als Bezeichnung für eine dynamisch-unendliche Produktivität, die stets neue Diskursformen entstehen läßt. Gegen diese Produktivität ist kein selbst diskursives Kraut gewachsen. Das ist nun in der Tat tröstlich, denn es verweist darauf, dass die 'Sprengsätze', von denen Rafael gesprochen hat, stets potentiell gegeben, jedenfalls im Rahmen des einfachen Widerstreits nicht 'erfolgreich' und für immer wegzusperren sind.

Weiter aber ist auch bei aller Differenzen der Diskursarten mit produktiven Überschreitungen von Situationen des Widerstreits durchaus zu rechnen. Wolfgang Welsch hat den Gedanken der partiellen Anschlüsse der Diskurse aneinander (und dies erscheint auch für Diskursarten möglich – man denke nur an den juridischen und den wissenschaftlichen Diskurs) im Blick gebracht (Welsch 1991; 1996).Damit erscheinen rhizomatische Anschlussvernetzungen der Diskurse möglich, die den Widerstreit zumindest abmildern können und in jedem Fall kreatives Potential für Neues und Weiterentwicklung enthalten. Und schließlich erscheint es immerhin nicht unmöglich, dass Diskurse im reflexen Bewusstsein ihrer spezifischen Gestalt und Position, also auch ihres immanenten Widerstreitspotentials, geführt werden. Sie können so von vornherein offen gehalten werden für Einsprüche und Korrekturendurch die Betroffenen und ihre Diskurse. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich dabei eventuell auch der Gedanke des "advokatorischen Diskurses" (Karl-Otto Apel) fruchtbar machen, wenngleich er dem Kontext der Transzendentalpragmatik und so einem "widerstreitfremden" Paradigma entnommen ist. Wo der advokatorische Diskurs sich seiner Vermachtetheit bewusst bleibt und diese mitreflektiert, kann er jedoch gleichfalls den Widerstreit mindern – insoweit er nämlich sich für die in der Dritten Person aufgenommenen Diskurse zu öffnen sucht. In dieser Weise lässt sich meines Erachtens daher das Unterfangen dieses Buches und dieses Trialogs verstehen. Auch wenn es von der Position der über die digitalen Möglichkeiten Verfügenden aus angesetzt ist und aus dieser Position den Digital und den Net Divide zum Thema macht, bleibt es streng von jener Vermachtung zu unterscheiden, wie sie der Ausnahmezustand herstellt. Unsere Position ist so klärbar: Sie ist diejenige der Produzenten von Diskursen über Dritte, die nicht identisch ist mit der Position von Souveränen, die den Ausnahmezustand verfügen, sondern bemüht sich stattdessen um die Offenhalten des Diskurses für Ein- und Widersprüche durch die Betroffenen.

Der Ausnahmezustand ist hingegen – wie ich zu zeigen versucht habe  – erst gegeben, wenn der hegemoniale Diskurs sich totalisiert und zugleich den anderen Diskurs zu annihilieren sucht – also letztlich zur Gewalt greift oder wird. Der Heterolog, der als spezifische Diskursivität zu verstehen wäre, steht als identitätsstiftende Konstruktion von Alterität stets in der Gefahr, in den Ausnahmezustand überzuleiten. Installiert ist der einschließende Ausschluss aber erst, wenn der sich totalisierende Diskurs sich im annihilistischen Handeln zu "bewahrheiten" sucht (wobei dies sich auch als versuchte Annihilierung in Gestalt einer brachialen Fixierung der in einem Diskurs zum Objekt Gemachten im Zustand einer Ausgeliefertheit realisieren kann, wie das oben genannte Beispiel der permanent einer Verachtungs- und Diskriminierungssituation ausgesetzten Kinder zeigen möchte). Eben deshalb muss, so scheint mir, auch bei Lyotard zum Begriff des Unrechts und damit zum darin anwesenden einschließenden Ausschluss, zum Bann der Ohnmächtigen, die handelnde, außersprachliche (wenn auch durch Sprechen dazu angewiesene) Gewalt gehören: Die SS handelt – sie tötet. Erst dies gibt der Verweigerung jedes Rechts auf Widerspruch, auf Entwicklung von (diskursive) Gegenmacht die Wirksamkeit und macht den Diskurs der Nazis endgültig. Erst hierdurch wird die Verweigerung des Rechts auf Existenz, das sprachlich schon in diesem Diskurs geschieht und so durch ihn den Ausnahmezustand setzt, zum Faktum des einschließenden Ausschlusses, zum real existierenden Ausnahmezustand. Der Ausnahmezustand ist, meine ich daher, unauslöschlich mit Gewalt verschwistert, verschränkt, durchdringt sich mit dieser wechselseitig, so dass der eine ohne die andere kaum zu existieren vermag.

Von hier aus gesehen, läge der Ausnahmezustand für das gegebene Thema streng genommen dann vor, wenn den durch den Digital Divide von ICTs Ausgeschlossenen das Existenzrecht abgesprochen würde und man daher mit kriegerischen Mitteln gegen sie vorgehen würde. Dem Ausnahmezustand ausgeliefert wären diese Ausgeschlossenen jedoch auch dann, wenn ihnen ICTs (z.B. Durch globale Embargos) vorenthalten und jeder Versuch, sich diese selbst zu erarbeiten, unterbunden würde. In diesem Fall würden die Ausgeschlossenen mittelbar durch Gewalt betroffen: Mag auch nicht unmittelbar und physisch sichtbar gegen sie vorgegangen werden, so wird doch durch das entsprechende Handeln ihre psychische Integrität und – insoweit ICTs inzwischen auch eine Voraussetzung für die Entwicklung physischer Prosperität sind – ebenso ihre physische Integrität verletzt.

Das wiederum verweist auf einen weiteren Aspekt: Zur Erfassung der Gegebenheit von Ausnahmezuständen muss der Gewaltbegriff ergänzt werden. In Blick zu rücken ist die Dimension der strukturelle Gewalt, die ohnehin bezüglich des Digital Divide im Unterschied zur individuellen Gewalt die zentrale Rolle einnimmt. Als strukturelle Gewalt sei dabei verstanden die "Beeinträchtigung oder Verletzung der psychischen und / oder physischen Integrität eines leibgebundenen Vernunft- und Freiheitswesens, die durch strukturelle Verhältnisse, wie z.B. verfestigte lebens-weltliche Sozialstrukturen oder gesellschaftliche Handlungssysteme und ihre Institutionen, Einrichtungen, Organisationen etc. sowie durch die von diesen Strukturen bedingten Handlungen der in sie eingebundenen Akteure und Akteurinnen hervorgerufen wird" (Hausmanninger/Borhmann 2002, 32).

Es versteht sich, dass hierzu auch das ökonomische und politische Handeln im globalen Kontext sowie die Auswirkungen des nationalen ökonomischen und politischen Handelns auf diesen Kontext gehören. Als Form der Gewalt und Installierung von Ausnahmezuständen könnte in diesem Zusammenhang auch betrachtet werden, welche Form von – dann vorgeblicher – Freiheit durch den Siegeszug des ökonomischen Neoliberalismus global verbreitet und  eingerichtet worden ist. Immer dort jedenfalls, wo diese Freiheit eine Vogelfreiheit ist, also in Wahrheit jede Handlungsmöglichkeit dadurch nimmt, dass sie dem Handeln die Basis, die materielle Voraussetzung entzieht, ist sie der Bann. (Nicht von ungefähr bezeichnet Vogelfreiheit ja auch eben die Antastbarkeit durch alles und jeden, mithin den auch bei Agamben angesprochenen historischen Tatbestand.)


Mit der hier vorgenommenen Einführung des Gewaltbegriffs wird zugleich freilich auch deutlich, von welchen kulturspezifischen Ideen dessen Bestimmung wie auch die Bewertung des Ausnahmezustands als illegitim ihrerseits bestimmt sind: Mit Vernunft und Freiheit sind die klassischen Kernbestimmungen des Subjekts aufgenommen. Das bringt nochmals vor Ruperts Einwand, aus einer bestimmten Perspektive 'die Anderen' und die Legitimitätsgrenzen für den Umgang mit diesen 'festzustellen'. Gleichzeitig stellt sich damit das Problem, in welches Verhältnis diese Option zur Subjektivität treten kann und muss.

Mit der Feststellung ist dieses Problem bereits benannt – man könnte den Begriff in diesem Zusammenhang geradezu heideggerianisch benutzen oder auf die Verdinglichungskritik, die Auslegung der abendländischen Subjektphilosophie als Teil einer massiven instrumentellen Represseion bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno zugreifen. Gegenüber diesen Kritiken erscheinen die spätere, die bei Habermas auf die Konstituiertheit des Subjekts abhebt (bzw. die frühere, gleichsinnige Hegels fortschreibt), oder der erkenntnistheoretische Part der (post)strukturalistischen und dekonstruktivistischen Kritik, der auf die Unaufweisbarkeit unhintergehbarer Letzthorizonte zugunsten der Akzentuierung von umfassender Kontingenz abhebt, eher undramatisch.


Eine umfassende Auseinandersetzung mit diesen Kritiken ist freilich hier nicht möglich. So viel aber möchte ich dennoch an dieser Stelle anreißen: Jeder ethische Zugriff bedarf eines normativ relevanten Bezugspunkts. Hier haben die diversen Ethiken schon allein in der abendländischen Tradition unterschiedliche Optionen für sich gesetzt (wenn auch nicht immer als Option gekennzeichnet). Unter Voraussetzung der ihrerseits nicht mehr einfach aufzukündigenden erkenntnistheoretischen Wende zur Kontingenz scheint der vielversprechendste Weg derjenige zu sein, sich an der argumentativen Problemlösungskompetenz der einzelnen Konzepte zu orientieren (Hausmanninger 2000; 2003).

Damit ist freilich auch bereits wieder eine Option getroffen, nämlich diejenige, sich im Rahmen der Vernunft und Argumentation zu bewegen. Die Kontingenz dieser Option soll jedoch hier nicht geleugnet werden; ebenso wenig jedoch scheint es mir legitim, sie untersagen zu wollen. Lässt man sich nun auf diese Option ein, so kann man meines Erachtens zeigen, dass ein Ethikkonzept, das mit den beiden Minimalbestimmungen Vernunft und Freiheit auf der Ebene der Ethikbegründung arbeitet, eine größere Problemlösungskraft aufweist, als konkurrierende Konzepte – das von Lévinas eingeschlossen (vgl. Hausmanninger 2003).


Der Ansatz bei Vernunft und Freiheit auf der Begründungsebene muss nicht notwendigerweise in die Fallen der klassischen Subjektphilosophie zurückführen, wenn man darauf verzichtet, daraus ein substanzielles oder ontologisches Subjektkonzept zu entwickeln (vgl. Hausmanninger/Capurro 2002). Erst wo dies geschieht bzw. geschehen ist, finden sich problematische materiale Fixierungen, Repression von Natur und Leiblichkeit, brachiale Kämpfe gegen Pluralität und Widerstreit. Der Ansatz mit Vernunft und Freiheit ist vielmehr als formale Axiomatik für einen formalen Begründungsganz zu verstehen, der zum Moralprinzip der Universalisierbarkeit führt. Er gesteht seine Kontingenz ein und bleibt offen für Kritik. Alle weiteren Bestimmungen, deren die Ethik bedarf, um konkret normativ zu werden, sind zudem nicht mehr auf dieser Begründungsebene angesiedelt. (Aus diesem Grund ist auch die vorgeschlagene Gewaltdefinition nicht auf dieser zu verorten – sie hat sie etwa mit der Dimension der Leiblichkeit längst verlassen). Umgekehrt kann man, so denke ich, zeigen, dass die in unserem Trialog immer wieder virulenten Gerechtigkeitsintuitionen im Rücken von einem derart entsubstantialisierten Subjektverständnis getragen sind: Die verletzte Gleichheit, von der ich oben gesprochen habe, scheint mir immer wieder die Gleichheit im freien, reflexiv selbstbestimmten Handeln zu sein – also die Gleichheit im Subjektstatus.

(Dies gilt auch, wenn man versucht, sich etwa 'nur' auf die 'Gleichheit des Zugangs' zurückzuziehen: Es bedarf eines identischen Bezugspunkts, von dem her diejenigen, denen dieser Zugang gleichermaßen gegeben werden soll, ihrerseits als vergleichbar erwiesen werden können. Nur dann kann man mit dem klassischen Gerechtigkeitsansatz von Aristoteles gefordert werden, dass Gleiches gleich zu behandeln sei – während bei fehlender Vergleichbarkeit gälte, dass Ungleiches ungleich zu behandeln wäre und mithin ein gleiches Zugangsrecht nicht einsichtig gemacht werden könnte.)

Erst von der Subjektposition aus kann es zudem begründet als problematisch erscheinen, wenn von einer Seite der machtförmigen Unterscheidung aus diese Unterscheidung im Ganzen thematisiert wird: Nicht wünschenswert wäre für sie selbst nämlich – ungeachtet ihrer faktischen Interessen –, ihrerseits auf eine Weise zum Gegenstand eines Diskurses gemacht zu werden, in dem gegen die Universalisierbarkeit von Handlungsmaximen und damit gegen die Subjektposition verstoßen würde. Schon in der Problematisierung der Beurteilung der Gesamtunterscheidung von einer Seite derselben aus, die ja keine bloß erkenntnistheoretische Problematisierung ist, äußert sich meines Erachtens daher die spezifisch ethische Intuition, dass Betroffenen ihr Subjektstatus gewahrt werden müsse und dass dieser bedroht ist, wenn sie (jedenfalls in einer zum Ausnahmezustand führenden Weise) verdinglicht werden.


Kann man aber, um zum Schluss zu kommen, die Subjektposition und das daran geknüpfte Ethikverständnis zum Bezugspunkt einer Gerechtigkeitsreflexion machen, in der jemand zusammen mit seinen Lebensbedingungen zur Debatte steht, der sich selbst eventuell gar nicht als Subjekt verstehen und nicht Universalisierbarkeit als Moralprinzip anerkennen möchte? Meines Erachtens erscheint dies dann möglich, wenn ihm seine Freiheit, sich anders zu verstehen und in seiner Kultur sein Leben zu vollziehen, offengehalten wird (über die Grenzen der Legitimität solcher Selbstvollzüge kann ich an dieser Stelle aus Platzgründen nicht mehr sagen, jedoch annoncieren, dass dies natürlich ein Thema ist). Diese Freiheit setzt Bedingungen voraus, wenn sie nicht Vogelfreiheit sein soll. Und zu diesen Bedingungen zählen heute ICTs (ungeachtet der Tatsache, dass über andere Bedingungen, wie Wasser, gerade vom vorgeschlagenen Ansatz her ebenfalls dringlich gesprochen werden muss). In dieser Hinsicht erscheint der Digital Divide daher trotz der spezifischen Position, die wir in dieser Unterscheidung einnehmen, ethisch als kritikwürdiges, zu überwindendes Phänomen – und sind wir zu einer entsprechend sensiblen, die eigene Macht kritisch sichtenden Reflexion aufgerufen.

R.M.S.: Rafaels Warnung, die Verteilungskonflikte um Wasser, Land und medizinische Versorgung nicht auszuspielen gegen den Digital Divide, ist wichtig für die Begründung unseres Unternehmens. Sie versetzt uns freilich in eine argumentative Bringschuld: Wir müssen zeigen, dass der Digital Divide – um eine Unterscheidung von Johann Ev. Hafner (in diesem Band, 61) aufzugreifen – nicht nur vom Internet ausgrenzt, sondern durch dasselbe trennt von Gütern oder Chancen, die wir gerechterweise keinem Menschen vorenthalten dürfe. Das heißt: Die Ungleichheit, dass die einen Netzzugang haben und die anderen nicht, wird dann zur Ungerechtigkeit, wenn mit dem Access ein exklusiver Möglichkeitenzuwachs verbunden ist, der zur Ungleichheit von Lebenschancen und Güterbesitz unter Gleichen führt. Thomas sieht die Gleichheit dieser Gleichen ganz fundamental im Subjektstatus aller Menschen. So macht er Subjektivität nicht nur zum Angelpunkt moralischen Sollens, sondern auch zur Basis eines Zuteilungsanspruchs kontingenter Güter wie ICTs. Damit dies plausibel ist, wäre nachzuweisen, dass ohne Access die Selbstrealisierungschancen des Subjekts – nicht die des Konsumenten, des Wissenschaftlers und welche heteronomen Bestimmungen des Menschen einem noch so einfallen mögen – tatsächlich vermindert sind, dass also der Vernunfts- und Freiheitsvollzug des Menschen unter den heutigen Bedingungen ohne ICTs leidet. Ich halte einen solchen Nachweis nicht für gänzlich unmöglich, würde meinerseits aber vorschlagen – übrigens ganz ähnlich wie Thomas selbst an anderer Stelle (vgl. Hausmanninger 2000) –, deutlicher zu unterscheiden zwischen dem warum-Aspekt einer Allokation (der dem Subjektstatus des Menschen Rechnung trägt und letztlich auf irgendeine Universalisierungsvariante zuläuft) und dem was-Aspekt einer Allokation (etwa Internetzugänge, Zugang zu Aids-Therapien, zur Wasserversorgung usf.).

Der warum-Aspekt muss in einem praktischen Begründungsdiskurs erörtert werden, der Klärung des was-Aspektes muss ein theoretischer Menschenbilddiskurs vorausgehen, der im Anschluss an Martha Nussbaum als offenes Menschheitsprojekt angelegt werden kann, gleichsam als gemeinsames Schreiben an einer notorisch ergänzungs- und umbaufähigen Liste menschlicher Eigenschaften, die stets neu die Frage beantwortet: "Welche Merkmale sind uns als Menschen gemeinsam und führen dazu, dass wir bestimmte Lebewesen – seien sie noch so weit entfernt von uns und sei ihre Lebensweise noch so anders – als Menschen erkennen
[…]?"  (Nussbaum 1990, 219; vgl ausführlicher Scheule 2003, 77ff.). In dieser Liste könnte auch die Kommunikations- und Vernetzungsbedürftigkeit des Menschen aufgeführt sein, was noch nicht unmittelbar zur moralischen Forderung von mehr Internetzugängen für Afrika führt. Aber sofern wir an uns feststellen, dass dem Menschen in seiner Kommunikations- und Vernetzungsbedürftigkeit durch Internet und ICT entscheidend geholfen wird, können wir als vernunft- und freiheitsfähige Subjekte sie anderen vernunft- und freiheitsfähigen Subjekten vernünftigerweise nicht vorenthalten, falls diese sie fordern.

Im Übrigen hat Rafael natürlich Recht, wenn er auf die kausalen Verflechtungen der ICT mit der Allokation anderer, wie es scheint, wichtigerer Güter hinweist. In Westafrika (Mali, Senegal) wird das Internet verstärkt zur medizinischen Versorgung eingesetzt. Gerade in ländlichen Gebieten mit traditionell dramatischem Ärtztemangel können Telemedizin bzw. Online-Diagnosen von lebensrettendem Nutzen sein (vgl. Wambui, 2001). Aber auch die Versorgung mit Wasser, mit Bildung ("distant learning") und nicht zuletzt mit Assoziationsmöglichkeiten zu politischen Zwecken kannin einem engeren Zusammenhang stehen mit digitalen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten, als es zunächst den Anschein hat.

Das gilt insbesondere für rural geprägte, infrastrukturschwache Weltgegenden. In einigen Beiträgen des vorliegenden Buches wird diese Thematik schon berührt, insgesamt scheint mir aber die "Vernetzung des Netzes" mit außerdigitalen, alltäglichen Lebenszusammenhängen eine Frage zu sein, die unser Forschungsprogramm weiterhin bestimmen wird, nicht nur, weil wir erst dann genau wissen werden, was der Digital Divide anrichtet, wenn wir noch exakter erfahren haben, wie wichtig das Being Digital für konkrete Lebensvollzüge sein kann, sondern auchweil sich in dem Schnittstellenbereich von analoger und digitaler Welt ganz neue alltagsethische Fragen ergeben werden, die uns bislang noch zu wenig beschäftigt haben. Und genau diese Fragen sind es ja, die uns bewogen haben, das Symposium "Localizing the Internet") (Oktober 2004) zu planen: "How people with different cultural backgrounds integrate the Internet in their lives? This concerns in the frist place community building. How far does the Internet affect, for better or worse, local community buidling? How far does it allow democratic consultation? How do people construct their lives within this medium? How does it affect their custums, languages, and everyday problems?" (Capurro/Hausmanninger 2003a). Ich bin schon heute gespannt, welche Antworten wir auf diese Fragen bekommen werden.



 
   
  

Literaturhinweise

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Agamben, Giorgio (2003): Der Gewahrsam. Ausnahmezustand als Weltordnung. In: F.A.Z. 19. April 2003, Nr. 92, S. 33

Barlow, John Perry (1996): A Declaration of Independence of Cyberspace (Zugriff 20.04.2003)

Capurro, Rafael (2003): Beiträge zu einer digitalen Ontologie

Capurro, Rafael / Hausmanninger, Thomas (2003): Localizing the Internet. Ethical Issues in Intercultural Perspective (Call for Papers)

Castells, Manuel (2001): The Internet Galaxy. Reflections on the Internet, Business, and Society. Oxford: Oxford University Press.

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Certeau, Michel de (1991): Das Schreiben der Geschichte. Frankfurt/M.: Campus 

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Letzte Änderung: 25. August  2017

 
 
 
 
    

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