NETZ.ÖKOLOGIEN

Zur Ethik des Abfalls im Zeitalter digitaler Medialisierung

 
Rafael Capurro
  
 
 
  
Beitrag zum Symposium: Netz.Ökologien. Zur Ethik des Abfalls im Zeitalter digitaler Medialisierung, Hochschule der Bildenden Künste Saar, Handwerkergasse Völklingen, 2.-3. Juli 2010  (PowerPoint)



 
 

EINLEITUNG


Jede gesellschaftliche Produktion bedingt einen Überschuss, der als Abfall vor allem Probleme der Entsorgung, aber auch Chancen der neuen Nutzung mit sich bringt. Die Informationsethik hat sich bisher vorwiegend mit jenen Problemen befasst, die einen Informationsüberschuss bedingt durch die digitalen Technologien verursacht. Man spricht von information overload und meint damit folgendes Paradoxon: Die informationellen Auswahlprozesse, die zur Reduktion von Komplexität führen sollen, produzieren zugleich einen Überschuss an Komplexität. Dieses Problem gilt nicht nur für die Treffer einer Google-Suche, sondern für viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, bei denen die Informationstechnologien Einzug gehalten haben.

Die ubiquitären digitalen und interaktiven Informationstechnologien eröffnen kaum vorstellbare Kommunikationsmöglichkeiten jenseits der Ein-zu-eins und Eins-zu-vielen  Strukturen der klassischen Individual- und Massenmedien. Sie erzeugen aber zugleich einen permanenten Druck und Erwartungshaltung gegenüber den digitalen Boten und Botschaften, die rund um den Globus in allen möglichen Kombinationen ausgetauscht werden mit noch kaum vorhersehbaren sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen sowohl positiven als auch negativen Folgen. Die Nutzung der Informationstechnologien führt oft zur Abnutzung und zur existentiellen Verarmung bis hin zu krankhaften Erscheinungen  (Capurro 2009, 2010, 2010a). Es gibt Auswege aus diesem Paradoxon, nicht zuletzt, indem man auf den IT-Einsatz zumindest zeitweilig verzichtet. Diese Lösung zweiter Ordnung ist aber aufgrund der zunehmenden IT-Abhängigkeit in der sozialen Kommunikation nur relativ tauglich, was wiederum ein Paradoxon bedeutet. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die digitalen Informationstechnologien nicht nur die zwischenmenschliche Kommunikation in ihrer ganzen Breite beeinflussen, sondern auch physische Lebensräume sowie Prozesse und Produkte aller Art durchdringen, die wiederum miteinander vernetzt sind. Es ist die Rede vom Internet der Dinge.

Diese Entwicklung betrifft aber, und darauf zielt diese Tagung, in zunehmendem Maße nicht nur die kommunikationellen, sondern vor allem die materiellen Bedingungen und Überschüsse heutiger Informationsgesellschaften. Die Informationsethik hat sich bisher nur Ansatzweise damit befasst (Feilhauer 2006; Feilhauer und Zehle 2009). Eine solche Reflexion ist aber Bedingung der Möglichkeit für einen kritischen Umgang mit den digitalen Technologien, die den sozialen, politischen und rechtlichen Meinungsbildungsprozess begleiten und zu einer bewussten und offenen Gestaltung unterschiedlicher durch digitale Technologien mitbestimmten Gesellschaftsformen führen sollte. Die Frage nach dem elektronischen Abfall (E-Waste) aus ethischer Perspektive gehört zu diesem breiten sozialen, politischen und kulturellen Kontext. Sie sollte sich als Beitrag zu einem internationalen wertorientierten Governance-System verstehen.

Im Folgenden sollen zunächst einige Daten und Fakten zum Thema E-Waste vorgelegt werden. In einem zweiten Schritt wird die Frage nach dem elektronischen Abfall aus ethischer Sicht skizziert. Im Schlussteil werden einige Empfehlungen formuliert.


EINIGE DATEN UND FAKTEN

Mobiltelefone, MP3 Player, Monitore und Flachbildschirme, Personal Computer, Speichermedien, PDAs, wearable computers, GPS oder RFID enthalten toxische Substanzen wie z.B. Antimon, Arsen, Blei, Beryllium, Cadmium, Chrom, Flammenhemmer oder Quecksilber, die in manchen Ländern in Sammelstellen oder Deponien mittels spezieller Verwertungsanlagen aber, besonders in Entwicklungsländern, oft ungefiltert beseitigt werden   (Feilhauer 2006, 3-4; 15-23).

Auch wenn die Baseler Konvention zur Kontrolle grenzüberschreitender gefährlicher Abfälle (Basel Convention), die 1992 in Kraft getreten ist, eine Teillösung des E-Waste-Problems darstellt, regelt sie lediglich die Frage des Export-Import und nicht die gesamte Problematik.

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat kürzlich einen Bericht mit dem Titel „Recycling – From E-Waste to Resources“ veröffentlicht (UNEP 2009) in dem Daten aus elf Schwellenländern über die aktuelle und künftige Situation im Bereich elektronischen Abfalls dargestellt sind. Mit Hinblick auf das 3R-Prinzip (Reduce, Reuse, Recycle) liegt der Schwerpunkt dieser Studie beim recycling. Der Bericht versteht sich auch als Unterstützung der Novellierung der EU-Directive 2002/96/EC „on waste electrical and electronic equipment“ (WEEE) (EC Environment 2010).

Im Press Release dieses Berichts (UNEP 2010) wird hervorgehoben, dass in Südafrika und China im Jahre 2020 der elektronische Abfall aus alten Computern von 200 auf 400% im Vergleich zu 2007 und in Indien um 500% steigen wird. Der Abfall von Mobiltelefonen in China wird siebenmal und in Indien achtzehn mal höher sein als 2007. Im Jahr 2020 wird in China und Indien der Fernseh-Abfall um 1,5 bis 2 mal größer sein, während in Indien der Abfall an Eisschränken wird sich verdoppeln oder verdreifachen. China produziert bereits 2,3 Millionen Tonen and E-Waste, hinter die USA mit 3 Millionen Tonnen und die EU mit ca. 9 Millionen Tonnen jährlich. Obwohl China den Import von elektronischem Abfall verboten hat, bleibt sie eine Müllkippe für entwickelte Länder mit teilweise primitiven recycling Verfahren. Der Bericht macht auf ähnliche Probleme in Südamerika (Brasilien, Mexiko, Peru und Kolumbien) und Afrika (Südafrika, Uganda, Senegal, Kenia und Marokko) aufmerksam. Länder wie Kenia, Peru, Senegal und Uganda haben noch einen geringen aber steigenden Zuwachs an E-Waste. Brasilien, Kolumbien, Mexico, Marokko und Südafrika haben die besten Chancen gute recycling-Verfahren anzuwenden. Die Möglichkeiten des recycling hängen aber in hohem Maße vom Design ab, was im Falle von Entwicklungsländern eine Barriere sein kann. Die Studie legt dementsprechend Wert auf relevante recycling Technologien, ihr Transfer in Entwicklungsländern sowie auf Innovationszentren in  emerging economies.

Fazit: der elektronischer Abfall ist ein globales Problem mit einem Wachstum von 40 Millionen Tonen jährlich. Moderne Elektronik enthält ca. 60 Substanzen einige davon nützlich, andere gefährlich und andere sowohl als auch. Allein 2007 wurden eine Billion Mobiltelefonen verkauft. Es gilt aber: „One person’s waste can be another’s raw material“ wie Konrad Ostenwalder bemerkt (UNEP, Press Release, 2010). Diese Aussage macht deutlich, dass der Abfallbegriff relativ im Sinne einer Kategorie zweiter Ordnung ist. Diese Relativität liegt dem recycling-Gedanke zugrunde.


ELEKTRONISCHER ABFALL AUS ETHISCHER SICHT


In Anschluss an Vilém Flussers Theorie über Abfälle vom Typ „Flaschenscherben“ (Flusser 1993) bemerkt Feilhauer, dass es ein Irrtum ist zu glauben, die zur Abfall gewordenen Dinge als „Natur“, als „wertlos“ und „formlos“ aufzufassen sind, sondern sie haben einen „Antiwert“ und eine „Antiform“, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass Abfall zu einem ständigen und sich vermehrenden Gefahrenpotential wird (Feilhauer 2006, 82).

Das ist auch der Grund  warum Abfall als das „Antinatürliche“ nicht als der Kultur gehörig aufgefasst werden kann. Diese doppelte Negation gegenüber Natur und Kultur macht es nicht möglich, das Abfallproblem grundsätzlich zu lösen, denn Dinge werden, auf kurz oder lang, unbrauchbar ohne dass ihre Entsorgung oder Wiederverwendung diesen ambivalenten Charakter ändern würde. Eher scheint es so zu sein, dass eine verantwortungsbewusste Einstellung zum Abfall genau diese Ambivalenz berücksichtigen muss. Sie muss dabei versuchen Methoden der Wiederverwendbarkeit zu entwickeln, ohne aber zu glauben, dass dadurch die Gefahrenpotentiale gänzlich beseitigt werden könnten. Wenn Abfall zerstörerisch nicht nur in die menschliche, sondern auch in die Naturkreisläufe einwirkt, sprechen wir von Müll. Eine Philosophie des Mülls liegt nur in Ansätzen vor (Habermeyer und Lotter 1994). Sie müsste sowohl  Räumlichkeit  (Ablagerung, Deponien usw.) als auch Zetlichkeit (menschliche Zeit und Naturzeit) aber auch geschichtliche und kulturelle Dimensionen bedenken. Eine Abfalltheorie hat ferner physikalische (Entropie), theologische (Sünde) und historische (Verfall) Konnotationen, die mit einen moralisch aufgefassten Abfallbegriff verwandt sind. Abfall und Müll als anthropologische Begriffe sind mit dem Heideggerschen "Verfallen" jenseits einer "moralisierenden Kritik des alltäglichen  Daseins" (Heidegger 1976, 166-167). Das 20. Jahrhundert hat aber deutlich gezeigt,  wie weit und schnell der Mensch aus einer verdinglichten Auffassung  seiner selbst zum Müllwesen verfallen kann bzw. andere Menschen zum Müll deklariert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts  zeigt sich außerdem, dass eine auch eine verdinglichte und anthropozentrische Sicht der Natur im Sinne  eines bloß auszubeutenden Rohstoff-Lieferanten, zu ökologischen und  menschlichen Katastrophen führt.

Somit sprechen wir ein erstes informationsethisches Problem als Teil einer ökologischen Ethik an, die sich primär aber nicht allein mit Fragen von safety und security befassen muss. Es geht darum, abzuschätzen und vorzubeugen im Hinblick auf die Gefahren die Abfall und insbesondere elektronischer Abfall ohne böse Absicht (safety) oder mit einer solchen (security) für die Umwelt generell sowie für Menschen insbesondere darstellt. Diese Betrachtungsweise schließt eine Reihe von ethischen Werten und Prinzipien ein, die in unterschiedlichen Kulturen, Ländern und Situationen anders interpretiert und gewertet werden können, ohne dass diese Relativität die Möglichkeit und Notwendigkeit eines internationalen und interkulturellen Dialogs ausschließt. Ein solcher kritischer Dialog über Moral, der mit dem Begriff Ethik oder genauer, interkulturelle Informations- ethik, gezeichnet wird, kann als Vorstufe für globale Vereinbarungen und als Teil der gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft des Menschen und der Lebensbedingungen insgesamt aufgefasst werden (Capurro 2008).

Wie dieser ethische Dialog in einem politischen Kontext geführt werden kann, zeigt zum Beispiel die Tätigkeit des „European Group on Ethics in Science and New Technologies“ (EGE) der EU Kommission. Die EGE-Opinion über „Ethics of synthetic biology“ (EGE 2009) befasst sich mit einem dem Abfall-Problem verwandtes Thema. Nach der Darstellung des wissenschaftlichen Stand der Forschung sowie der rechtlichen und politischen (einschl. governance) Aspekten, werden die ethischen Aspekte erörtert. Diese gründen auf Konventionen, Deklarationen und Direktiven wie etwa die Allgemeine Deklaration der Menschenrechte, die UNESCO Konventionen, die Charta der Grundrechte des Council of Europe und der Vertrag von Lissabon.

Eine ethische Analyse und Bewertung ist aber kein bloßes matching mit festgelegten Normen und Werten, die man ‚nur’ anwenden müsste. Vielmehr ist es so, dass diese Anlass zu einer kritischen Reflexion nicht nur über das in Frage stehende Phänomen, sondern auch über diese Normen und Werte selbst geben. Ethik bedeutet demnach ein problematisierender Begründungsdiskurs mit bezug sowohl auf den jeweiligen Sachverhalt als auch auf die moralischen Normen und Werte selbst, wobei es offen bleibt, wie der Entscheidungsträger die Argumente und Handlungsvorschläge selbst bewertet und daraus (forschungs-) politische Konsequenzen zieht.

Im Falle einer ethischen Analyse und Bewertung des elektronischen Abfalls – wozu hier nur knappe Ansätze vorgelegt werden können – gilt zunächst sich klar zu machen, was begrifflich unter ‚Abfall’ generell und unter ‚elektronischem Abfall’ insbesondere zu verstehen ist, wohl wissend, dass Begriffe in ihrem Gebrauch nicht ethisch neutral sind. Ferner müsste eine solche Analyse zeigen, wie Fragen des elektronischen Abfalls sich einer ökologischen Ethik  stellen. Das gilt, zum Beispiel, für die Entsorgung elektronischen Abfalls in Ländern der sog. Dritten Welt falls diese im Sinne einer ‚Ent-Sorgung’ und somit einer Flucht vor der Verantwortung stattfinden würde. Die Zustimmung eines Landes bezüglich des Imports von elektronischem Abfall bedeutet aber nicht zugleich die tatsächliche Einhaltung der Rahmenbedingungen in Sachen safety und security.

Mit anderen Worten, die Frage des Exports-Import solcher Abfälle stellt sich aus ethischer Sicht nicht nur als Frage ökologischer Verantwortung gegenüber der Umwelt, sondern auch als Frage der Achtung vor der Menschenwürde, falls die Entsorgung etwa in Form von Gesundheit gefährdenden Mülldeponien stattfindet, was letztlich auf den Vorrang vor Profit hinausläuft. Es muss aber im Einzelfall geprüft werden, ob dies tatsächlich sich so verhält oder ob bestimmte ökologische Risiken nicht mit einem anderen sozialen und ökonomischen Nutzen abzuwägen sind. Ist das nicht der Fall, kommt die Anwendung des Vorsichtsprinzips in Frage, wenn die voraussichtlichen Risiken zugleich als für Mensch und Umwelt gravierend und wahrscheinlich einzustufen sind.

Es ist auch ferner abzuwägen, inwiefern solche Fragen über Sicherheit und Risiken in Konflikt mit Werten wie Autonomie und Freiheit in Konflikt stehen und wo die Grenzen der Freiheit im Rahmen gesellschaftlicher und globaler Verantwortung zu setzen sind. Das betrifft auch Fragen von Solidarität und distributiver Gerechtigkeit nicht nur bezüglich des Aufbürdens von  Risiken auf den Schultern und den Händen der Schwächeren, besonders im Falle von E-Waste, sondern auch in bezug auf die legitimen Interessen der ärmeren Länder an Teilhabe an der technologischen Entwicklung. Mit anderen Worten, die Problematik von Ausbeutung und sozialer Exklusion ist ein wesentlicher Teil einer ökologischen Ethik des elektronischen Abfalls.

SCHLUSSFOLGERUNGEN


Wozu dient ethische Reflexion generell und in bezug auf das Problem des elektronischen Abfalls insbesondere? Sie kann dazu verhelfen, Denk- und Handlungssperren aufzuheben und den Blick für die Phänomene öffnen, die sonst durch die Blendwerke der Eigeninteressen und der kurzfristigen Profitmaximierung unsichtbar bleiben oder absichtlich verdeckt werden. Solche Reflexion wähnt sich zugleich global und lokal. Sie befasst sich mit der Frage nach der Begründbarkeit von Normen und Werten mit universaler wenngleich nicht unveränderlicher Reichweite, ohne aber die konkrete Situation und den sich verändernden Sachverhalt aus den Augen zu verlieren.

Diese Spannung zwischen Globalität und Lokalität oder zwischen Universalität und Singularität macht das Wesen ethischer Fragestellungen aus. Sie ist nicht nur normativer, sondern auch optativer Natur. Sie bezweckt nicht nur ein Sollen, sondern ebenso sehr ein Möglichsein von Freiheit, das einer Abwägung auf den Einzelfall bedarf und kontingent bleibt. Die westliche Tradition nannte diese Dimension ethischer Reflexion das ‚gute Leben’. Sie stellt sich heute nicht nur individuell oder in bezug auf einzelnen Gruppen oder Gesellschaften, sondern zugleich global. Gerade im Falle des elektronischen Abfalls ist diese Spannung zwischen Lokalität und Globalität entscheidend, sowohl um die Augen zu öffnen für die konkreten sozialen Rahmenbedingungen in denen dieser Abfall entsteht als auch für jene Wechselwirkungen mit globalen Agenten, die oft ohne Rücksicht auf Verluste ihre Geschäfte auch legal betreiben. Hier helfen zwar kritische Stimmen und Aktionen, die diese Missstände anprangern. Sie bleiben letztlich unwirksam, wenn sie nicht vom kritischen Denken und einer breiten gesellschaftlichen Diskussion begleitet werden.


Welche Handlungsempfehlungen lassen sich in Sachen E-Waste aus dieser knappen ethischen Analyse ableiten?

  • Erstens, bei der Novellierung von Richtlinien und Gesetzen einen breiten sozialen Dialog fördern.
  • Zweitens, bei der Entwicklung, Produktion und Vermarktung elektronischer Geräte der Frage des recycling einen hohen Stellenwert beimessen.
  • Drittens, materielle Aspekte der Informationsgesellschaft in den Mittelpunkt der Informationsethik stellen.
  • Viertens, insbesondere bei öffentlich geförderten IT-Projekten die Frage des elektronischen Abfalls aus ethischer Sicht stellen..


Der erste Satz der EU-Richtlinie 2002/96/EG lautet:

"Die Umweltpolitik der Gemeinschaft ist insbesondere auf die Erhaltung und den Schutz der Umwelt sowie die Verbesserung ihrer Qualität, den Schutz der menschlichen Gesundheit und die umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen ausgerichtet. Sie beruht auf dem Vorsorgeprinzip, dem Grundsatz der Vorbeugung, dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip.“ (Directive 2002/96/EG)

Es wäre m.E. fatal, wenn die Informationsgesellschaft die ökologischen Erfahrungen der Industriegesellschaft vergessen würde. Wir sollten an verschiedene von der jeweiligen Kultur und Geographie abhängigen Alternativen von ökologisch ausgerichteten Informationsgesellschaften 2.0 arbeiten, die sich aber nicht nur an den Gedanken des recycling im Sinne einer wirtschaftlichen Wiederverwertung von IT-Materlialien orientiert. Es reicht genauso wenig aus, wenn eine grüne IT sich lediglich auf die Frage des Energiesparens einschränkt. Vielmehr geht es darum, die Materalitäten der Informationsgesellschaften nicht nur in die Kreisläufe der Wirtschaft, sondern ebenso sehr in die Naturkreisläufe eingehen zu lassen. Dafür können wir im "Fernen Westen" (Jullien 2002; Capurro 2006), vom Geist des "Fernen Ostens" lernen, wo ein besonderer Sinn für die Schönheit und Vergänglichkeit der (Natur-)Dinge und des (menschlichen) Lebens entwickelt wurde, wie zwei Performances von Frau Hyun Ju Do während dieser Tagung in der Handwerkergasse Völklingen, nämlich "Kleine Porzellanmanufaktur" und "Cityline", eindrucksvoll zeigten. In diesem Sinne gilt, dass der Ausdruck Informationsökologie nicht nur eine immaterielle (Capurro 1990), sondern auch eine materielle Dimension umfassen muss. Designer können und sollten einen Betrag dazu leisten, indem sie die ethische Maxime von Terry Winograd und Fernando Flores zu einer "neuen Grundlegung des Designs" beherzigen: "[i]n designing tools we are designing ways of being" (Winograd und Flores 1986, xi).


LITERATUR

Basel Convention on the Control of Transboundary Movements of Hazardous Wastes and Their Disposal
http://www.basel.int/text/con-e-rev.pdf

Capurro, Rafael (2010) Medicina 2.0. Reflexiones sobre una patología de la sociedad de la información.
En: Humanitas

Capurro, Rafael (2010a). Wandel der Medizin in digitalen Informationsgesellschaften. In: IMABE (Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik, Wien), Imago Hominis, Bd. 17, 2010, 97-104 (i.Dr.)

Capurro, Rafael (2009). Leben in der message society. Eine medizinethische Perspektive.
http://www.capurro.de/paracelsus.html

Capurro, Rafael (2008). Intercultural Information Ethics. In: Kenneth Einar Himma und Herman T. Tavani (Eds.): The Handbook of Information and Computer Ethics. New Jersey: Wiley, 2008, S. 639-665.

Capurro. Rafael (2006). Ethik der Informationsgesellschaft. Ein interkultureller Versuch.
http://www.capurro.de/parrhesia.html

Capurro, Rafael (1990). Towards an Information Ecology. In: Wormell ed.: Information Quality. Definitions and Dimensions. London, Taylor Graham 1990, p. 122-139. 
http://www.capurro.de/nordinf.htm

Directive 2002/96/EC

EC Environment (2010)
  
European Group on Ethics in Science and New Technologies (EGE)

EGE (2009). Ethics of synthetic biology.
Opinion No 25

Feilhauer, Matthias (2006). Elektronikschrott – Ein Geschenk des Himmels? Hochschule der Medien, Diplomarbeit im Studiengang Medieninformatik. Diese Arbeit wurde in Kooperation mit dem European Support Centre of the Club of Rome (Wien) erstellt. Sie wurde 2006 mit dem 2.  Preis des Wirtschaftskreises Baden-Württemberg der Carl Duisberg Gesellschaft ausgezeichnet.
http://www.capurro.de/feilhauer-ewaste.pdf

 
Feilhauer, Matthias und Zehle, Soenke (Eds.).
Ethics of Waste in the Information Society. International Review of Information Ethics (IRIE), Vol. 11, Oct. 2009
http://www.i-r-i-e.net/issue11.htm

Flusser, Vilém (1993). Flaschen. In ders.: Dinge und Undinge – Phänomenologische Skizzen. München: Hanser 1993, 11-26.

Habermeyer, Wolfgang und Lotter; Konrad (1994). Philosophie des Mülls - 12 Thesen. In: Widerspruch, 25, 11-16
http://www.widerspruch.com/artikel/25-001.pdf

Heidegger, Martin (1976). Sein und Zeit. Tübingen: Niemeyer.

Jullien, François (2002). Der Umweg über China. Ein Ortswechsel des Denkens. Berlin: Merve (Aus dem Französischen von Mira Köller).

United Nations Environment Programme (UNEP) (2009). Recycling – From E-Waste To Resources. Siehe auch hier.
 
United Nations Environment Programme (UNEP) 2010). Urgent Need to Prepare Developing Countries for Surge in E-Wastes.

Winograd, Terry und Flores, Fernando (1986). Understanding Computers and Cognition. A New Foundation for Design. Norwood, New Jersey: Ablex  (Erkenntnis Machinen Verstehen. Zur Neugestaltung von Computersystemen,  aus dem amerik. v. L. Voet, mit einem Nachwort von Wolfgang Coy. Berlin: Rotbuch Verlag 1989).
 

 Letzte Änderung: 3. November  2015



 
    

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