EINLEITUNG
Der
philosophische
Begriff "Konstruktion" (lat. constructio, griech. kataskeuá,
genesis, systema, syntaxis, syntagma)
hat eine
bis auf die Antike zurückgehende Tradition und erreicht einen
Höhepunkt
bei Kant, der zwar den Terminus in einem engen Sinne verwendet, dessen
"transzendentaler" Ansatz aber insgesamt als "konstruktivistisch"
bezeichnet
werden kann. In der Logik, etwa in P. Lorenzens "Dialogtheorie", wird
der
Konstruktionsbegriff im Sinne der "Spielregeln" zur Regulierung von
Rede
und Gegenrede gebraucht ("konstruktive Logik") (1).
Ein
nicht minder geschichtsträchtiger und sinnverwandter Begriff ist
"Konstitution":
während im Mittelalter (W. von Ockham) das Konstituierende, all
das
meint, was zum "Wesen" einer Sache gehört, also im "ontologischen"
Sinne gebraucht wurde, wird "Konstitution" bei Kant
erkenntnistheoretisch,
im Sinne dessen, was objektive Erfahrung begründet und bestimmt
(Anschauungsformen
und Kategorien, im Gegensatz zum "regulativen" Gebrauch der "Ideen")
umgedeutet.
Der Begriff spielt in der Phänomenologie E. Husserls eine zentrale
Rolle und meint dabei die "intentionale" Leistung des Bewußtseins
("noesis") beim Aufbau der Gegenständen ("noema"). Der Gegensatz
"konstitutiv/regulativ"
wird in der neueren Sprachphilosophie (J.R. Searle, J. Habermas•) eher
komplementär als antagonistisch bestimmt (2).
Vor
diesem Hintergrund möchte ich einige Thesen des "Radikalen
Konstruktivismus"
erörtern, wobei ich mich auf den erkenntnistheoretischen sowie auf
den ethischen Ansatz beschränken möchte (3).
1. ZUR DEKONSTRUKTION DES
RADIKALEN
KONSTRUKTIVISMUS
Seit
Heideggers
Programm einer "Destruktion" der abendländischen Ontologie (4)
und der sich an ihr anlehnenden Methode der "Dekonstruktion" etwa des
französischen
Philosophen J. Derrida (5), versteht man unter einer
(philosophischen) "Dekonstruktion" eine von innen operierende
Offenlegung,
welche die sich in einem Ansatz verfestigte und auf ihre "Vorurteile"
hin
nicht mehr befragte Tradition zum Vorschein bringt. Damit ist es
möglich,
bestimmte Ansätze philosophiegeschichtlich "einzuordnen", d.h. sie
nicht nur "negativ" in Frage stellen, sondern sie auch "positiv" aus
der
Sicht, der dort weiterwirkenden Tradition zu sehen.
In
diesem Sinne möchte ich einige durch den Radikalen
Konstruktivismus
zum Teil fraglos übernommenen philosophischen Positionen aus der
Tradition
des Kantianismus mit einigen Argumenten der Existenzphilosophie
(Heidegger)
sowie der Ethik (E. Lévinas) konfron- tieren.
Zunächst
möchte ich aber an eine m.E. grundsätzliche
Argumen- tationsschwäche
dieses Ansatzes, nämlich die Analogisierung der Konzepte
(RK,
S. 452-454) aufmerksam machen. Im Gegensatz zur transzendentalen
Fragestellung
Kants, die sich auf die Analyse menschlicher "a priori"
Erkenntnisstrukturen
beschränkte, geht es hier darum, "lebende Systeme" nicht nur
untereinander
auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, indem man sie also als
"autopoietisch"
auffaßt, sondern die in diesem Bereich bereits (!) analogisierten
Begriffe auf andere Bereiche ebenfalls analogisch auszuweiten. Mir
scheint,
dass man hier mit Hilfe einer durchaus legitimen heuristischen
Methode, nämlich
der Analogie, auf die tatsächlichen Merkmale der
verschiedenen
"Systeme" schließt bzw. sie miteinander wörtlich
"vergleicht".
Mit anderen Worten, was für bestimmte "lebende Systeme"
gilt
(Selbstreferentialität, strukturelle Koppelung usw.), soll auch in
ähnlicher bzw. in der selben Weise für alle gelten. Man
begeht
außerdem den Fehler einer petitio principii: das, was
bewiesen
werden soll, wird zunächst vorausgesetzt. Trotz der
unterschiedlichen
(!) Evolutionsstufen, geht es darum gemeinsame nicht nur analoge
sondern
sogar "homologe" Prinzipien der Selbstorganisation (RK, S. 161)
für
alle Systeme herauszuarbeiten. Von hier aus zieht der Radikale
Konstruktivismus
einige erkenntnistheoretische und ethische Schlußfolgerungen, die
mir ebenfalls fragwürdig erscheinen.
2. DAS
UNBEWÄLTIGTE ERBE DER ABENDLÄNDISCHEN ONTOLOGIE
"Radikal"
ist der Radikale Konstruktivismus vor allem hinsichtlich jener
erkenntnistheoretischen
Positionen (wie etwa die der Evolutionären Erkenntnistheorie),
welche
ein Abbildverhältnis zwischen Realitäts- und
Erkenntnisstrukturen
postulieren. In Anlehnung an Kant (RK, S. 40) wird behauptet, daß
wir die Wirklichkeit als solche nicht erkennen, sondern "nur" Systeme
von
Beschreibungen erzeugen. Im Gegensatz zu Kant, aber auch zum
Empirismus,
arbeitet man nicht mit der Hypothese einer "gegebenen" Realität,
die
wir entweder gar nicht erkennen könnten oder die letztendlich in
sich bereits
strukturiert wäre.
Dementsprechend
handelt es sich nicht um einen ontologischen, sondern um einen erkenntnistheoretischen
Solipsismus (RK, S. 35, 219, 404): Die Welt ist immer die Welt
unserer
Erfahrung. Die Sprache hat primär eine praktische (oder
"konnotative")
Funktion für den Handelnden, d.h. die kognitiven Systeme sind,
erneut
im Gegensatz zu Kant und in der Nachfolge Wittgensteins (RK, S. 31),
nicht
theoretisch auf "Gegenstände der Erkenntnis" gerichtet, sondern
erzeugen
operative Beschreibungen, die zur Orientierung dienen sollen. Mit
anderen
Worten, der philosophische Diskurs des Radikalen Konstruktivismus
vertritt
eine immanentistische Position, durch den Verzicht auf die
Supposition
einer "externen" (oder "transzendenten") "Realität", die entweder
unerreichbar oder bloß "richtig" abzubilden wäre.
Ontologische
Fragen, so wie die abendländische Philosophie sie etwa seit Platon
gestellt hat, werden im Sinne eines erkenntnistheoretischen Monismus,
der
zugleich ein Funktionalismus ist, aufgelöst (RK, S. 42, 409). Wir
haben also auf der einen Seite eine gewisse Nähe zum Kantischen
Phänomenalismus,
indem eine "kopernikanische Wende" von der "Realität" auf den
"Konstrukteur"
hin vollzogen wird, auf der anderen Seite aber werden unsere
Erkenntnisstrukturen
von ihrer empirischen Entstehung her betrachtet und auf ihre
pragmatische
Funktion hin gedeutet.
Eine
Schwachstelle dieses Ansatzes scheint mir die des "epistemischen"
Solipsismus
(RK, S. 219) zu sein. Dieser soll der Preis dafür sein, dass die
Fragen
der abendländischen Ontologie nicht mehr gestellt werden sollen.
Damit
aber wird tatsächlich der ontologische Status des
Beobachters/Konstrukteurs
dem der anderen "lebenden Systemen" gleichgestellt und es wird
außerdem
vorausgesetzt, dass "Ontologie" so etwas wie die Beschreibung
"ansichseiende"
"externe" Objekte, dass sie also Substanzontologie sein muß. Die
Erledigung dieses Angriffsziels soll zur Erledigung von Ontologie tout
court führen. Das ist natürlich eine konstruktivistische
Naivität.
Demgegenüber
stellt die von der Existenzialontologie Heideggers entwickelte
Argumentation
genau jene "absolutistische" Ontologie von ihren eigenen (!)
unausgesprochenen
Voraussetzungen in Frage, ohne sie im Namen der Erkenntnis "radikal"
(und
letztlich auch nur scheinbar) abzulehnen. Denn, so der Heideggersche
Diskurs in nuce, die Seinsfrage gilt seit den Griechen als
Frage
nach dem,
was das Seiende, jenseits der Wechselhaftigkeit der Erscheinungen, ist,
d.h. sie setzt voraus, dass Sein etwas mit Dauerhaftigkeit und
Präsenz
zu tun hat. Präsenz bzw. Gegenwart ist aber eine Dimension
von Zeit. Also ist die abendländische Ontologie eine auf diese
Zeitdimension
hin orientierte reduktionistische (Substanz-) Ontologie und sie
faßt
dementsprechend Zeit eindimensional (als Folge von
"Jetzt-Punkten")
auf. Die so ausdrücklich formulierte Frage nach der Interpretation
von Sein im Horizont von Zeit, wird wiederum von einem "Seienden",
nämlich
uns selbst, gestellt, dessen Sein bisher ebenfalls am Leitfaden der
sonst
in der Welt vorkommenden "Substanzen" ausgelegt wurde. Wir kommen zwar,
etwa als "Organismen", in der Welt vor, aber unsere "Seinsweise" wird
nur
unzureichend verstanden, wenn wir uns am Dingmodell orientieren. Statt
dessen gilt, so Heidegger, dieses Vorverständnis zu hinterfragen
indem
man "zu den Sachen selbst" vordringt, d.h. indem jene spezifischen
Strukturen
herausgearbeitet werden, welche unsere "Existenz" auszeichnen. Ohne
jetzt
weder Heideggers Existenzialanalytik entfalten noch auf mögliche
Parallelitäten
mit einigen Thesen des Radikalen Konstruktivismus (etwa zwischen
Immanentismus
und "In-der-Welt-sein" oder zwischen "Konstruktion" und
"hermeneutischer
Zirkel") eingehen zu können, möchte ich bestimmte
Unterschiede
verschärfen, die sich aus der Übernahme bzw. Abstoßung
einer bestimmten ontologischen Tradition ergeben.
Denn
der Mensch ist nicht eine "Psyche-Kapsel" (6) sondern
er ist immer schon
mit den anderen bei denselben Dingen einer gemeinsamen Welt. Er ist
gewissermaßen
immer schon "draußen", also bei den Dingen selbst, und nicht
etwa
bei ihren "Abbildern" und dieses "Draußen-sein" - dass sich
sowohl
als "gelichtetes"
bzw. "offenes" "Im-Raum-sein" als auch in der Weise des
drei dimensionalen
"In-der-Zeit-seins" realisiert - teilt er auch ursprünglich mit
den
anderen mit. Im Gegensatz zur Substanzontologie kennzeichnet Heidegger
die menschliche Seinsweise primär durch die Offenheit und
"Überantwortung"
der eigenen Existenz gegenüber, was stets die "Fürsorge"
für
den Anderen impliziert (Siehe unten). Diese unsere "existenziale"
Seinsweise,
die Heidegger terminologisch als "Dasein" kennzeichnet, ist wiederum
eine
"faktische", d.h. sie ist zwar ein "Entwurf", aber ein solches
Entwerfen
(oder "Konstruieren") geschieht immer vor dem Horizont endlicher
Zeitlichkeit:
als "geworfener Entwurf", durch Natalität und Mortalität in
seinem
Woher und Wohin bedingt, transzendiert der Mensch sozusagen die jeweils
überlieferten theoretischen und/oder praktischen Auslegungen
der "Realität", indem er diese neu "entwirft". Heidegger
radikalisiert
durch seinen "existenzialen" Ansatz nicht nur, wie der Radikale
Konstruktivismus
es tut, die antike Ontologie, sondern er radikalisiert, vor dem
Hintergrund
eines "neuen" zeitlichen Seinsverständnisses, die Auffassung, der
Mensch wäre primär auf theoretische Erkenntnis hin
orientiert.
Anstatt aber, wie der Radikale
Konstruktivismus es in der Kantischen Tradition noch tut, die Ontologie
zugunsten der (pragmatischen) Erkenntnistheorie aufzugeben, entwirft er
eine der pragmatischen Erkenntnistheorie zugrundeliegende Ontologie.
Das bedeutet zugleich ein Ausbrechen nicht nur aus dem
ontologischen
sondern auch aus dem erkenntnistheoretischen Solipsismus. Daher ist
das vor dem Hintegrund einer mit-geteilten Offenheit stattfindende
Auslegung
der "Realität" keine geschlossene geschweige denn eine auf
"Abbildung"
zielende Tätigkeit. Sie ist eine immer schon auf
überliefertem
Verstehen bzw. auf "Vorverständnissen" basierende Auslegung, die
sich
zwar "kreisförmig" - in Form einer zwischen "pragmatischem"
Verstehen
und "theoretischer" Auslegung sich vollziehenden geschichtlichen
Bewegung,
des sog. "hermeneutischen Zirkels" - aber nicht geschlossen vollzieht.
Was wir "konstruieren", sind immer bestimmte Seinsentwürfe, und
umgekehrt,
sowohl der "pragmatische" Umgang mit den Dingen als auch unsere
theoretischen
Entwürfe setzen so etwas wie "Seinsverständnis" voraus. Die
bisherige
Ontologie, die der Radikale Konstruktivismus zwar ablehnt, auf die er
aber
in seinem Gegenentwurf verhaftet bleibt, nimmt als Leitfaden für
die
Seinsauslegung das Dingmodell und übergeht dabei die "ontologische
Differenz" zwischen der Frage nach dem Seienden und der nach dem
Sein
selbst. Diese Hinweise mögen genügen, um zu zeigen, das das
ontologische
Defizit des Radikalen Konstruktivismus keineswegs unvermeidlich ist,
sondern
lediglich auf dem Vorurteil (!) einer bestimmten abendländischen
metaphysischen
Tradition beruht (7).
Dass
die "metaphysische" Tradition in ethischer Hinsicht eine kritische
Rolle
spielen kann, zeigt der Ansatz des französischen Philosophen E.
Lévinas.
3. DIE ETHISCHE
HERAUSFORDERUNG RADIKALER ALTERITÄT
Ich
setze
das Wort "metaphysisch" in Anführungszeichen, weil der Einwand, den
ich jetzt gegen den Radikalen Konstruktivismus erheben möchte,
nichts
mit jenem Reich absoluter Werte zu tun hat, das der Konstruktivismus
mit
Recht in Frage stellt (RK, S. 430). Dieser Einwand läßt sich
folgendermaßen knapp formulieren: Der Radikale Konstruktivismus
stellt
eine Variante jenes "Totalitätsdenkens" dar, das den "Anderen" im
"Selben" ("autopoietisch") einschließt bzw. ihn aus der
Erkenntnistheorie
heraus "konstruiert". Damit verschließt sich der Radikale
Konstruktivismus
gegen das "metaphysische" Begehren nach dem (ganz) Anderen. Erst eine
solche
Dimension "absoluter Exteriorität" vermag aber das Primat des
"Selben",
welches (so Lévinas), die ganze
abendländische
Philosophie bestimmt, ethisch in Frage zu stellen. Diese
Dimension
durchzieht nämlich den Menschen und manifestiert sich unvermittelt
in der Erfahrung "Von-Angesicht-zu-Angesicht".
Der
Radikale
Konstruktivismus
lehnt zwar "metaphysische" Werte ab, aber was er anzubieten hat, sind
etwa
die "Sicherung der Autopoiese", die "Optimierung unserer
Lebensbedingungen"
usw. Da es also keine letzte Wirklichkeit oder Wahrheit gibt auf die
wir
uns weder theoretisch noch praktisch (letzteres wieder im Gegensatz zu
Kant) berufen können, gilt es dann auch im ethischen
Bereich
auf absolute Maßstäbe zu verzichten und unsere konkrete
Verantwortung
in einen "nutzenorientierten Ideen- wettbewerb" zu übernehmen (RK,
S.
38).
Der
Radikale
Konstruktivismus
ist aber somit weder ontologisch noch ethisch "radikal" genug. Dabei
ist
zu bemerken, dass Lévinas' ethischer Ansatz den Diskurs des auf
Erkenntnis basierenden abendländischen Wissens "dekonstruiert",
indem
er nämlich zeigt, dass dieser - auch im Falle der Heideggerschen
Ontologie
(8) - ein metaphysischer (jetzt ohne Anführungszeichen!)
Diskurs ist. So wie Heidegger die abendländische Ontologie im
Namen
einer von ihr "vergessenen" zeitlichen Dimension "destruiert", so
"dekonstruiert"
Lévinas die abendländische Metaphysik, indem er zeigt, dass
sie alle Beziehungen unter dem Primat des theoretischen (sowie auch
praktisch-beherrschenden) objektivierenden "Logos" stellt,
während in
Wahrheit das Subjekt
nicht primär durch die Relation Subjekt/Objekt, sondern durch eine
Beziehung zum "Unendlichen" jenseits jeder Theorie
bestimmt
wird.
Lévinas
zeigt wie
diese "transzendente" bzw. "meta-physische" Dimension, im Gegensatz zur
traditionellen Metaphysik, keine theoretische sich im Bereich des
Wissens
erst eröffnende Dimension ist und er zeigt zugleich, dass sie, im
Gegensatz zum religiösen Glauben, keine "noumenale" und "numinose"
Dimension ist. Denn "die Dimension des Göttlichen öffnet sich
vom menschlichen Antlitz aus" (TU S. 106). Die Beziehung ist dann
primär
eine ethische, und zwar im Sinne einer sich jeder
Totalität
entziehenden Struktur, sie ist eine "Beziehung ohne Beziehung", wie
Lévinas
sich paradox ausdrückt (TU, S. 110). Das "Selbe" kann das "Andere"
niemals "konstruieren", sondern es beginnt gerade dort sich ethisch
zu verhalten, wenn es sich durch den Anderen radikal in Frage stellen läßt.
Erst in einem solchen Verhältnis vollendet sich die "kritische
Natur des Wissens", nämlich wenn der Andere in den "egoistischen"
Versuch meiner (individuellen oder gesellschaftlichen) "Autopoiese"
einbricht
und die (meine) Totalität persönlich ("Von-Angesicht-
zu-Angesicht")
im wörtlichen Sinne "kritisiert", d.h. entzweit.
Dementsprechend
ist es
verfehlt,
so Lévinas (TU, S. 309), wenn man die menschliche Gesellschaft
nach
ihrer Ähnlichkeit (!) mit einem biologischen "Genus", also als
Einheit
von ähnlichen Individuen, betrachtet. Denn sie ist zwar eine
biologische
Gattung, aber die absolute ethische Trennung, welche durch die
Sprache
gestiftet wird, schafft nicht die "Einheit" sondern die "Verwandschaft"
zwischen den Menschen: "Dass alle Menschen Brüder sind,
erklärt
sich nicht durch ihre Ähnlichkeit (...) Meine Verantwortung
gegenüber
einem Antlitz, das mich wie ein absolut fremdes ansieht - und die
Epiphanie
des Antlitzes fällt mit diesem beiden Momenten zusammen -, macht
das
ursprüngliche Geschehen der Brüderlichkeit aus. Die
Vaterschaft
ist keine Kausalität: Sie ist die Stiftung einer Einzigkeit, mit
der
die Einzigkeit des Vaters eins ist und nicht eins ist." (TU, S. 309).
Die
"Gleichheit" ist die der Brüder, die jeweils "einzig" sind und Verantwortung
füreinander tragen. So ist Lévinas' Argument kein
"Gottesbeweis",
sondern die
Offenlegung einer irreduziblen
menschlichen Zweiheitsstruktur, in der sich stets eine "unendliche"
Dimension
zeigt, die uns entzweit und konkret bzw. leibhaftig zur Gerechtigkeit
füreinander
auffordert. Ich meine, dass der "autopoietische" Diskurs des Radikalen
Konstruktivismus genauso in seinen ethischen wie auch in seinen
ontologischen
Prämissen "dekonstruiert" werden sollte.