Gegenüber
dem in den 70er Jahren geprägten Schlagwort von der
Informationsgesellschaft
bahnt sich immer stärker die Einsicht in die Notwendigkeit einer
Veredelung
der Ressource-Information anhand von selektiven, interpretatorischen
und
wertenden Prozessen, die zu dem führen, was wir in einem
umfassenden
Sinne Wissen nennen. Das neue Schlagwort von der Wissensgesellschaft
macht
heute die Runde. Der Wissenschaftstheoretiker Helmut Spinner hat
für
einen umfassenden Wissensbegriff die Formel von Wissen "aller Arten, in
jeder Menge, Güte und Zusammensetzung" geprägt (Spinner 1998,
S. 104). Man erinnere sich an das Ziel der Abdeckung aller
Wissensgebiete
im IuD-Programm der Bundesregierung 1974-1977 (BMFT 1975).
Das
Thema Wissensmanagement steht auf der Tagesordnung der
gegenwärtigen
informationswissenschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Forschung
und
zwar sowohl in Form einschlägiger Monographien (Kanti
Srikantaiah/Koenig
2000, Von Krogh/Ichijo/Nonaka 2000; Zucker/Schmitz 2000; Bürgel
1998,
Borghoff/Parschi 1998, Davenport/Prusak 1997, Klein 1998,
Nonaka/Takeuchi
1995) als auch in zahlreichen Websites und internationalen Meetings.
Zu
den letzten möchte ich insbesondere den diesjährigen Kongress
der American Society for Information Science (ASIS) hervorheben. Die
Tagungsankündigung
gibt einen Überblick über die Bedeutung und die Einbetung von
Wissensmanagement innerhalb der Informationswissenschaft:
"Knowledge
Discovery, Capture and Creation: Capturing tacit knowledge, data
mining,
collaboration, expert directories, intelligent systems employing
usage patterns (e.g. search strategies) etc.
Classification
and Representation: interface design, metadata, information
visualization,
taxonomies, clustering, indexing, vocabularies and automatic indexing,
etc.
Information
Retrieval: search engines, intelligent agents, browsing vs.
searching,
navigation, knowledge/information architecture, data mining, etc.
Knowledge
Dissemination, communication, publishing (including internet vs.
intranet
vs. extranet), push vs. pull, etc.
Social,
Behavioral, Ethical, and Legal Aspects - information acceptance
vs.
rejection, behavior modifications, policies and politics, value
assessments,
corporate and national information cultures, knowledge seeking
behavior,
training for effective utilization, managing knowledge management,
legislative
and judicial issues." (ASIS, Annual Meeting, Chicago, 2000)
Das
Bewußtsein,
daß der Erfolg eines Unternehmens entscheidend von seiner
Lernfähigkeit
abhängt, nimmt in jüngster Zeit immer mehr zu. Gründe
dafür
sind zum einen die verschärfte globale Wettbewerbssituation sowie
zum anderen die Entwicklung und Verbreitung der neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien, die ständig neue Möglichkeiten
für
das Management von Informationsressourcen sowohl innerhalb eines
Unternehmens
als auch zwischen diesem und der Umwelt bieten.
Wissensmanagement
im Sinne von Informationsmanagement umfaßt sowohl das Management
der Ressource-Information innerhalb eines Unternehmens (information
resource management) als auch das Management von externen
Informationsquellen
(information resources management). Informationsmanagement dient
wiederum dem Wissens- management auf allen Ebenen eines Unternehmens.
Diesem
Selbstverständnis von Wissensmanagement kommt in dem
einschlägigen
Ansatz von Probst, Raub und Romhardt zum Ausdruck (Probst/Raub/Romhardt
1998).
Ist
aber mit dem Management von Wissen die Frage nach den Quellen
unternehmerischer
Kreativität und, so möchte ich hinzufügen, von geistiger
Kreativität überhaupt, beantwortet? Diesem Problem widmen
sich
Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi, zwei renommierte
Unternehmensexperten,
in ihrem Buch The Knowledge-Creating Company (1995), das 1997
in
deutscher Übersetzung mit dem Titel Die Organisation des
Wissens erschienen ist. Wissensmanagement beschäftigt sich, so
die Autoren, mit der Organisation von Information im Sinne des
expliziten
Wissens. Entscheidend für den Prozeß der Wissensschaffung
ist
aber das implizite Wissen. Was ist damit gemeint?
I.
Der Ansatz von I. Nonaka und H. Takeuchi
In
seinem
Buch The Tacit Dimension (1966, Dt. Implizites Wissen,
1985)
hatte der Biologe und Wissenschaftstheoretiker Michael Polanyi auf die
Bedeutung des impliziten Wissens (tacit knowledge)
hingewiesen.
Er meinte damit, "daß jeder unserer Gedanken Komponenten
umfaßt,
die wir nur mittelbar, nebenbei, unterhalb unseres eigentlichen
Denkinhalts
registrieren – und daß alles Denken aus dieser Unterlage, die
gleichsam
ein Teil unseres Körpers ist, hervorgeht." (Polanyi 1985, S. 10).
Das implizite Wissen ist, so Polanyi, die Grundlage des sogenannten
objektiven
Wissens.
Nonaka
und Takeuchi stellen den Begriff des impliziten Wissens in den
Mittelpunkt
ihres Modells der Wissensschaffung im Unternehmen. Gegenüber der
Vorstellung,
daß Wissen nur durch die Aufnahme von expliziten Informationen
und
deren Verarbeitung entsteht, betonen sie, dass eine Information im
Sinne
von "einer Nachricht von einem Unterschied" ("information is a
difference
that makes a difference" G. Bateson) nur in Verbindung mit konkreten
Vorstellungen
und Handlungen in einem dynamischen Kontext einen Sinn hat:
"Information
ist ein notwendiges Medium oder Material für die Bildung von
Wissen"
aber sie wird erst zum Wissen, wenn sie "kontext- und
beziehungsspezifisch"
wird (Nonaka/Takeuchi 1995, S. 70).
Die
Umwandlung von impliziten zum expliziten Wissen oder, mit anderen
Worten,
das Explizitmachen eines impliziten Kontextes ist eine wesentliche
Voraussetzung
für die Schaffung neuen Wissens. In diesem Prozeß finden
verschiedene
Formen der Wissensumwandlung statt, nämlich:
Vom
impliziten
zum impliziten Wissen – die Sozialisation
Vom
impliziten
zum expliziten Wissen – die Externalisierung
Vom
expliziten
zum expliziten Wissen – die Kombination
Vom
expliziten
zum impliziten Wissen – die Internalisierung.
Drei dieser
Formen, nämlich Sozialisation, Kombination und Internalisierung,
sind
bisher in gängigen Organisationstheorien zu finden. Die
Kombination
ist wiederum eine zu lernende Kernfähigkeit von
Informationsmanagern.
Das Neue bei diesem Ansatz ist die Einbettung dieser Fähigkeit im
Kontext unternehmerischer Kreativität. Dabei heben Nonaka und
Takeuchi
nicht nur die bisher unbeachtete Dimension des impliziten Wissens
hervor,
sondern sie stellen sie in einen dynamischen Zusammenhang mit anderen
Formen
der Wissensmitteilung, den sie als ein spiralförmiges
Zusammenwirken
auffassen.
Ein
Beispiel aus der Praxis der Firma Matsushita in Osaka zeigt in
prägnanter
Weise das Zusammenwirken von implizitem und explizitem Wissen:
"Ein
zentrales Problem in der Entwicklung eines Brotautomaten in den
späten
achtziger Jahren war die Mechanisierung des Teigknetens. Der
Knetprozeß
gehört zum impliziten Wissensvorrat von Bäckermeistern, und
so
verglich man anhand von Röntgenaufnahmen den gekneteten Teig eines
Bäckers mit dem eines Automaten, ohne zu irgendwelchen
Erkenntnissen
zu gelangen. Ikuko Tanaka, die Leiterin der Abteilung
Softwareentwicklung,
wußte, daß es das beste Brot der Gegend in Osaka
International
Hotel gab. Um sich das implizite Wissen über den Knetvorgang
anzueignen,
gingen sie und mehrere Ingenieure beim Chefbäcker des Hotels in
die
Lehre. Es war nicht leicht, sein Geheimnis zu ergründen. Eines
Tages
bemerkte sie jedoch, daß der Bäcker den Teig nicht nur
dehnte,
sondern auch drehte. Durch Beobachtung, Nachahmung und Praxis hatte
Ikuko
Tanaka des Rätsels Lösung gefunden." (Nonaka/Takeuchi 1995,
S.
76)
Gemäß
der Devise, daß ein Unternehmer nicht bloß explizite
Informationen
verarbeitet, sondern ein Erzeuger von neuem Wissen ist und somit
kreativ
gegenüber der Umwelt vorgeht, entwickeln Nonaka und Takeuchi ein
"Middle-top-down-Modell"
des Wissensmanagements im Unternehmen, wo das mittlere Management oder Wissensingenieure
als Vermittler zwischen den Wissenspraktikern
(Mitarbeiter und Linienmanager) und den Wissensverwaltern
(Führungskräften)
eine Schlüsselrolle spielt.
Den
Wissenspraktikern ist vor allem der Kontakt mit der Umwelt (Kunden)
eigen.
Als "Wissenswerker" sammeln und erzeugen implizites Wissen in
Form
von Fertigkeiten, die auf Erfahrungen beruhen. Dazu gehören zum
Beispiel
Angestellte in der Verkaufsabteilung oder Facharbeiter in der Montage.
Ihre Stärke liegt darin, daß sie "mit Kopf und Händen"
arbeiten. Die "Wissensspezialisten" wiederum mobilisieren
strukturiertes
explizites Wissen in Form von technischen, wissenschaftlichen und
anderen
quantifizierbaren Daten.
Das
Hervorbringen von Wissen beruht auf dem Zusammenwirken von
kontextbezogenen,
auf subjektiver Relevanz basierenden Auswahlprozessen, die in Form von
Wertpreferenzen und Wunschvorstellungen meistens und
größtenteils
implizit bleiben. Diese Ressource zu mobilisieren und zwar sowohl bei
jedem
Mitarbeiter des Unternehmens als auch in seinem ganzen Umfeld bildet
das
Ziel dieses wissensbezogenen Ansatzes.
Wie
läßt sich dieses Modell in einer globalisierten, auf
Multikulturalität
ausgerichteten Weltwirtschaft mit international agierenden Unternehmen
anwenden? Wie funktioniert multikulturelle Wissensschaffung? Diesen
Fragen
gehen Nonaka und Takeuchi nach, indem sie anhand von Primera von Nissan
und REGA von Shin Caterpillar Mitsubishi zeigen, wie sich japanische
Unternehmen
nicht-japanisches implizites Wissen aneignen.
Daraus
läßt sich für die Praxis des Wissensmanagements u.a.
lernen,
daß etwas, was für japanische Produktentwickler notwendig
und
möglich war, nämlich das Kennenlernen von kulturellen,
geographischen
usw. Unterschieden am eigenen Leib, auch zwischen den verschiedensten
Wirtschaftspartnern
möglich und ebenfalls produktiv sein müßte. Bei aller
berechtigten
Euphorie um virtuelle Unternehmen, globalen Informations- austausch
durch
Intranets und Extranets, virtual reality u.v.a.m. ist dies auch
eine ernüchternde Auskunft, die den Blick des global agierenden
Herstellers
zugleich (!) auf Lokalität, Individualität und Leiblichkeit
richtet.
Höchste Qualitätsleistung erreicht man gerade im Falle
industrieller
Massenanfertigung durch Veränderung festgefahrener und
einverleibter
Vorurteile. Dies ist aber wiederum nur möglich, wenn die
Bereitschaft
da ist, den Standpunkt des Anderen am eigenen Leibe zu erfahren und den
wahrgenommenen Unterschied explizit zu machen.
Mit
ihrem Ansatz gehen also Nonaka und Takeuchi über die
weitverbreitete
Vorstellung
von Wissensmanagement im Sinne von Handhabung des expliziten
Wissens
hinaus (Takeuchi 1998). Soeben
ist eine Weiterführung dieses Ansatzes durch Von
Krogh/Ichijo/Nonaka
mit dem Titel Enabling Knowledge Creation erschienen (Von
Krogh/Ichijo/Nonaka
2000). Im Vorwort heißt es:
"This
is a book about knowledge enabling. It is our strong conviction that
knowledge
cannot be managed, only enabled." (Krogh/Ichijo/Nonaka 2000, vii)
Gemeint
ist die Einsicht, dass wir zwar Information im Sinne von explizitem
Wissen
managen können, dass dies aber nur Teil der umfassederen Aufgabe
der
Wissensschaffung (knowledge creation) darstellt. Was wir dabei
tun
ist dann nicht Wissen, sondern die Bedingungen der Wissensschaffung zu
managen.
II.
Würdigung und Kritik
Im
Jahr
des Erscheinens der deutschen Übersetzung des Buches von Nonaka
und
Takeuchi gab die Unternehmensberatung Wieselhuber & Partner das Handbuch
Lernende Organisation heraus (Wieselhuber 1997), in dem namhafte
deutsche
Firmen auf die Bedeutung von Lernprozessen als Instrument des
Unternehmungswandels
hinwiesen und sich dabei auf den Ansatz von Nonaka und Takeuchi
bezogen.
Im Folgenden gehe ich auf die theoretische Rezeption dieses Ansatzes
kurz
ein.
Schreyögg
und Noss (Institut für Management, Freie Universität Berlin)
(Schreyögg/Noss 1997) fassen Unternehmen als Wissenssysteme auf.
Neues
Wissen entsteht im Zuge von Lernprozessen auf der Grundlage vom eigenen
Wissen einer Organisation. Diese Einsicht steht der traditionellen
mechanistischen
Auffassung gegenüber, wonach Lernprozesse lediglich reaktiv als
Resultat
von Anstößen (Stimuli) stattfinden. Organisationen beruhen
auf
einer spezifischen "Wissensbasis" – bestehend aus Routinen, Patenten,
technischen
Aufzeichnungen aller Art usw. –, die dann durch Lernprozesse
verändert
wird. Die klassische Einteilung organisatorischer Wissenselemente
unterscheidet
zwischen Regel- und Faktenwissen. Zum ersten zählen kausal
erklärte
Zusammenhänge aller Art. Wissen ist demnach dann wirksam, wenn auf
der Grundlage von Regeln der faktische Erfolg tatsächlich eintritt.
Diese
Verknüpfung von Regelwissen und faktischem Erfolg greift aber, so
die Autoren, zu kurz, da sie andere Wissensarten nicht
berücksichtigt,
darunter "die heute so viel diskutierte Differenz von explizitem bzw.
artikuliertem
und implizitem "unterschwellig" vorhandenem Wissen"
(Schreyögg/Noss
1997, S. 70) Gegenüber dem von Gregory Bateson als "digitales
Wissen"
bezeichneten expliziten Wissen weisen Schreyögg und Noss auf die
von
Nonaka und Takeuchi vorgestellten Formen der Wissenskonversion hin. Sie
unterscheiden zwischen drei Lerntypen nämlich:
Lernen
I: Veränderung des impliziten oder expliziten Wissens, "die jedoch
im Rahmen bestehender Grundüberzeugungen und Basisprämissen
der
Organisation entwickelt wird"
Lernen
II: "Vorherrschende Basisannahmen und Grundsätze werden in Frage
gestellt
und durch neues Orientierungswissen (...) ersetzt"
Lernen
III: das "das Wissen um die Lernprozesse selbst zum Inhalt hat."
(Schreyögg/Noss
1997, S. 73)
Die von
Nonaka und Takeuchi ausgearbeiteten vier Modi der internen
Wissensgenerierung
in Organisationen werden in Bezug auf diese drei Lernformen gesetzt.
Das
Explizitmachen vom impliziten Wissen findet im Falle von Lernen II und
III so statt, daß keine Zurücknahme in die Sozialisierung
oder
Internalisierung führt. Dies gilt ausschließlich für
Lernen
I. Die permanente Lernfähigkeit des Unternehmens wird durch
Externalisierung
und Kombination stets wachgehalten. Damit stellen Schreyögg und
Noss
das Spiralmodell teilweise in Frage. Sie kritisieren dabei
ausdrücklich,
daß die Generierung von Wissen im Spiralmodell beim Individuum
beginnt
und sich dann in der Gruppe sowie in der Organisation weiterentwickelt.
Sie sehen als problematisch an, daß der
Wissens- erzeugungsprozeß
beim Individuum beginnen soll. Demgegenüber betonen sie, daß
der Ausgangspunkt die organisatorische Wissensbasis ist. Dieser Kritik
wäre zu entgegnen, daß das Spiralmodell zwar einen solchen
Ausgangspunkt
suggeriert, während in Wahrheit alle vier Modi
gleichursprünglich
sind, so daß das implizite Wissen des Individuums immer schon
seinen
Ausgang in einem sozialisierten Internalisierungsprozeß nimmt,
der
wiederum teilweise auf externalisiertem und kombiniertem Wissen
basiert.
Eine
zweite Kritik richtet sich gegen die These, daß die
Restrukturierung
der Wissensbasis durch selbstgeneriertes neues Wissen den Durchgang
durch
alle vier Modi voraussetzt, während dies in Wahrheit nur für
Lernen I zutrifft. Außerdem ist es nicht sinnvoll oder, wie ich
hinzufügen
möchte, notwendig – und letztlich auch in vielen Fällen nicht
möglich –,
immer implizites in explizites Wissen oder umgekehrt zu
überführen. Es ist nur die Frage, ob dies von Nonaka und
Takeuchi
behauptet wird.
So
ziehen die Autoren die Schlußfolgerung, die vier Typen der
Wissenskonversion
je nach Lernform unterschiedlich zu behandeln und andere Formen der
Wissensgenerierung
je nach Bedarf stärker zu berücksichtigen. Dazu zählen
zum
Beispiel der Systemvergleich im Sinne des Benchmarking, das
Experimentieren
oder das neugierige Suchen. Diese und andere Lernformen scheinen mir
aber
wiederum in das Modell von Nonaka und Takeuchi integrierbar.
Essers
und Schreinemakers von der Rotterdam School of Management (Erasmus
University)
(Essers/Schreinemakers 1997) stellen fest, daß corporate
knowledge
management (CKM) nicht unter dem Paradigma dessen subsumiert werden
kann, was die Wissenschaftstheorie in den Worten von Karl Popper als objective
knowledge bezeichnet. Im Falle eines Unternehmens wird Wissen
primär
im Hinblick auf seine Anwendung und Nutzung betrachtet, was wiederum
eine
Erweiterung des Wissensbegriffs jenseits der Grenzen wissenschaftlicher
Methodik bedeutet. Wenn es um das Management der Wissensschaffung geht,
steht dann weniger der context of justification als der context
of discovery oder der context of application im
Vordergrund.
Dennoch spielen Elemente aus Poppers World 3 eine nicht zu
unterschätzende
Rolle. Der von Nonaka und Takeuchi beschriebene Prozeß der
Wissenskonversion
(crystalization), wodurch implizites Wissen auf verschiedenen
Ebenen
eines Unternehmens zum Einsatz kommt, schließt eine
Bewertungsprozedur
ein, die Kriterien wie Kosten, Effizienz und Profit aber auch
ästhetische
Aspekte berücksichtigen muß.
Bürgel
und Zeller betonen, daß der "Königsweg" zum künftigen
Wissen
über "kritisch hinterfragtes Erfahrungswissen in
Neukombination
von Wissenselementen aus explizitem und implizitem Wissen"
führt
(Bürgel/Zeller 1998, S. 58). Der F&E-Prozeß ist ein
Wissensprozeß,
bei dem die von Nonaka und Takeuchi beschriebene "Wissensspirale" auf
individueller
und kollektiver Ebene eine conditio sine qua non darstellt.
Schließlich
möchte
ich auf zwei Strategien des Wissensmanagements bei Beratungsfirmen
hinweisen,
die jeweils dem klassischen Ansatz des Wissensanagements bzw. dem der
Wissensschaffung
entsprechen.
Es sind dies
die
Kodifizierungsstrategie
und die Personifizierungs- strategie. Bei der ersten Strategie wird das
Wissen
in Form von Datenbanken zugänglich gemacht, bei der zweiten bleibt
Wissen an die Person gebunden, die es erworben hat. Der Computer dient
dann vorwiegend als Medium des Wissensaustausches. Die
Beratungsunternehmen
Andersen Consulting oder Ernst & Young haben die
Kodifizierungsstrategie
gewählt. Dagegen setzen Bain, Boston Consulting Group (BCG) und
McKinsey
auf personalisiertes Wissen (Hansen/Nohria/Tierney 1999).
Ausblick
Mein
Fazit lautet:
Beide Ansätze
gehören zum Selbstverständnis der Informationswissenschaft,
obwohl
diese sich bisher naturgemäß mit Information im Sinne des
expliziten
Wissens d.h. also mit Wissensmanagement im Gegensatz zu
Wissensschaffung
auseinandergesetzt hat. Die Theoriebildung der Wissensschaffung im
Rahmen
betriebswirtschaftlicher Ansätze bringt zwar neue von der
Informationswissenschaft
bisher vernachlässigte Dimensionen zur Sprache, engt diese aber
wiederum
für ihre Zwecke ein. Die Informationswissenschaft kann hierzu als
korrektiv dienen, indem sie den Blick für andere Formen des
Wissensmanagements
und der Wissenschaffung frei macht. Indem sie das tut, knüpft sie
nicht nur an ihre eigene Tradition an, sondern verbindet ihre
Fragestellungen
mit anderen Methoden und geistigen Traditionen wie die der
Medienwissenschaft,
der Soziologie, der Linguistik, der Psychologie und nicht zuletzt der
Wissenschaftstheorie. Der Ansatz von Nonaka und
Takeuchi beruht
außerdem
auf Einsichten, die in der Tradition der Informationshermeneutik
diskutiert
worden sind (Capurro 1995).
Wissensmanagement
ist ein modischer Ausdruck. Aber die Sache hat Geschichte. Wie Albrecht
von Müller bemerkt, verfügten die Republik Venedig oder die
Fugger
über ausgezeichnete Methoden, Informationen schnell und effektiv
in
Wissen umzusetzen und somit ihre Machtstellung über Jahrhunderte
zu
festigen (Winkelhage 1998, Müller 1997). Diese Geschichte im
Zusammenhang
mit den heutigen Fragestellungen zu thematisieren, ist ein Desiderat
der
Forschung.
Mit
dem Begriff Management verbinden wir gewöhnlich die
Tätigkeiten
des Planens, Organisierens, Koordinierens und Kontrollierens in unserem
Fall der Ressourcen Information und Wissen. Diese Tätigkeiten
richten
die Aufmerksamkeit auf die Haltung des Beherrschens und
vernachlässigen
die Aspekte des sorgfältigen und dienenden Umgangs. Diese Aspekte
gehören aber zum ursprünglich aus dem Italienischen (maneggiare)
und Lateinischen (manus) herstammenden Begriff (The Oxford
English
Dictionary). In einem Textnachweis aus dem 18. Jahrhundert (1736
Butler)
heißt es: "Tranquility,
satisfaction,... being the natural consequences of prudent management
of
ourselves, and our affairs." (OED 1989)
Wissen
ist, wie das alte Wort theoria lehrt, nicht nur Mittel, sondern
auch Selbstzweck. Von dieser anderen Betrachtung von Wissen lebt eine
Kultur,
die sich öffentliche Lehr- und Forschungseinrichtungen sowie
öffentlich
zugängliche Bibliotheken leistet, ja die eine informationelle
Grundversorgung
der vernetzten Gesellschaft anstrebt.
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Änderung: 2. Januar 2017