EINFÜHRUNG IN DEN INFORMATIONSBEGRIFF

Rafael Capurro  
 
 
 
 

IV. Kapitel

Zur Geschichte des Informationsbegriffs 

 
Einleitung   
   
1. Die lateinischer Herkunft und der griechische Ursprung  

2. Die Bedeutungsentwicklung in Neuzeit und Gegenwart  

Zusammenfassung  

Übungen   

Literatur

 
 
  

Einleitung

Die moderne Sprachanalyse unterscheidet zwischen Zeichen, Bezug und Bedeutung. So bezeichnen zum Beispiel die Ausdrücke "Abendstern" und "Morgenstern" den Planeten Venus. Sie haben also denselben Bezug, bedeuten aber jeweils etwas anderes, nämlich die Art und Weise wie Venus sich am Morgen- und am Abendhimmel zeigt. Weder Bezüge noch Wortbedeutungen stehen aber ein für allemal fest, sondern sie hängen vom Aussagennetz, in dem sie jeweils vorkommen, ab. Dementsprechend ist also die etymologische Untersuchung von Wortbedeutungen keineswegs auf das Ziel einer ursprünglichen und wahren Bedeutung (Griechisch = étymos) zurückzuführen. Wir befinden uns in einem Prozeß des Sprachgebrauchs bei dem das Verhältnis zwischen Sprecher, Ausdruck und Gegenstand nicht endgültig feststeht.   

Der Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889-1951), auf den diese Gebrauchskonzeption der Bedeutung zurückgeht, schreibt:   

"Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache" (Wittgenstein 1984, § 43).
Er faßt die Sprache nicht im Hinblick auf theoretische Definitionen oder Begriffe, sondern auf das soziale Umfeld des Sprachgebrauchs oder auf das Sprachspiel, wie er es nennt, auf. Der Sprecher muß die Spielregeln nicht ausdrücklich kennen, wenn er einen Ausdruck korrekt gebraucht. Es gibt gemäß dieser Konzeption von Sprache keine eindeutige Beschreibung der Welt und keine ideale oder absolute Sprache mit ein für allemal feststehenden exakten Wortbedeutungen. Wir können aber die jeweiligen Kontexte oder Regelsysteme rekonstruieren und so zur sprachlichen, methodischen und somit auch zur praktisch-beruflichen Orientierung beitragen, indem wir lernen, unsere kontextbezogenen Begriffsdefinitionen nicht für die einzig wahren zu halten auch und gerade wenn wir sie genau festlegen oder wenn sie in der Praxis gut funktionieren.   

Wir lernen dabei unter anderem:   

  • mit Vagheit und Mehrdeutigkeit umzugehen
  • scheinbar selbstverständliche Begriffe zu hinterfragen
  • scheinbar moderne oder modische Begriffe aus dem historischen Netz ihrer Entwicklung zu verstehen und zu relativieren
  • Möglichkeiten und Grenzen von begrifflichen Definitionen zu erkennen
  • die wechselnden Beziehungen zwischen Zeichen, Bezug und Bedeutung zu rekonstruieren
  • auf die Bedeutungsübertragungen zwischen verschiedenen Gebrauchskontexten zu achten (Metapherbildung)
Im Folgenden fasse ich die Geschichte jenes Begriffs und seiner Gebrauchskontexte, der zum Kernbereich unserer professionellen Arbeit gehört und der zugleich als Signatur unseres Zeitalters dient, zusammen. Eine ausführliche Darstellung ist in (Capurro 1978) zu finden.
  
 
 
 
 

1. Die lateinische Herkunft und der griechische Ursprung

Der Duden Etymologie faßt die Wort- und Begriffsgeschichte, auf die wir jetzt eingehen werden, folgendermaßen zusammen:   
Informieren "benachrichtigen, Auskunft geben, belehren": Das Verb wurde im 15. Jh. aus lat. in-formare entlehnt, und zwar in dessen übertragener Bedeutung "durch Unterweisung bilden, unterrichten", eigentlich "eine Gestalt geben, formen bilden" (zu in..., In... und lat. forma "Gebilde, Gepräge, Gestalt" (vgl. Form)). Dazu stellen sich das Substantiv Information "Nachricht, Auskunft, Belehrung" (16. Jh.; aus lat. informatio), das Adjektiv informativ belehrend, aufschlußreich" (19. Jh.) und die jungen Bildungen Informand "jemand, der (geheime) Informationen erhält", Informant "jemand, der (geheime) Informationen liefert", ferner Informatik "Wissenschaft von der Informationsverarbeitung, bes. von den elektronischen Datenverarbeitungsanlagen", dazu Informatiker (alle 20. Jh.)."
Information bzw. informieren stammen also aus dem Latein (informatio bzw. informare). Die lateinische Ausdrücke hatten zwei Bedeutungen nämlich eine "eigentliche" (eine Gestalt geben, formen, bilden) und eine "übertragene" (durch Unterweisung bilden, unterrichten). Lediglich die übertragene Bedeutung wurde im 15./16. Jahrhundert entlehnt. Sie ist die Bedeutung, die wir heute im Alltag gebrauchen.   

Zur Vertiefung dieser Hinweise schauen wir in einem lateinischen Wörterbuch, nämlich dem Thesaurus Linguae Latinae, nach. Das Präfix in hat im Latein sowohl die Bedeutung der Negation (z.B. informis = ungeformt) als auch die der Verstärkung oder Verortung einer Handlung, wie im Falle von informatio/informare. Unser Wörterbuch faßt die Bedeutungen ebenfalls in zwei Gruppen zusammen, nämlich:   

  • Formung im materiellen Sinne: machen, erzeugen (sowohl im technischen als auch im biologischen Sinne)
  • Formung im geistigen Sinne: erläutern, definieren, beweisen, Mitteilung einer Lehre oder eines Beispiels (Vorbildes, Befehls).
Die Belege reichen vom klassischen Latein bis zum 8. Jh. n.Chr. Hier sind drei Beispiele geordnet nach Verwendungsbereichen:   
  
  • Technischer Bereich: Der römische Dichter Vergil (70-19 v.Chr.) schildert im 8. Buch seines großen Epos Aeneis wie im Haus des Gottes Vulkan, dem Feuergott (lat. vulcanus) - das Haus des Gottes ist der Vulkan Ätna -, die Kyklopen einen Blitz für Zeus "mit ihren Händen formen" (informatum). Ferner "gestalten sie" (informant) im Auftrag von Vulkans Gattin Minerva einen Riesenschild für den Helden Aeneas (Aen. 8, 426ff).
  • Biologischer Bereich: Varro (116-27 v.Chr.), ein bedeutender römischer Gelehrter, beschreibt wie in der ersten Woche nach der Zeugung der Fötus eine Gestalt annimmt und in der vierten Woche "durch Kopf und Rückgrat geformt wird (informatur)." (Varro frg. Gell. 3,10,7)
  • Pädagogischer Bereich: Der lateinische Kirchenschriftsteller Tertullian (160-220 n.Chr.) nennt Moses den "Bildner (oder Erzieher) des Volkes" (populi informator) (adv. Marc. 4, 22).
Schauen wir uns jetzt einige Verwendungen des Informationsbegriffs bei drei klassischen Autoren, nämlich Cicero, Augustinus und Thomas von Aquin, genauer an.   

Cicero (106-43 v.Chr.), der bedeutende lateinische Redner, Politiker und Schriftsteller, verwendet informatio/informo mit folgenden Bedeutungen:   

Informatio:    

  • Bildung durch Darlegung, die Darlegung, Erläuterung, Deutung des Wortes (auf das es ankommt)
  • Das in der Vorstellung (ursprünglich vorhandene oder durch empirische Erkenntnis) gewonnene Bild
Informo:    
  • organisch bilden
  • durch Unterweisung bilden, befähigen, abrichten, unterrichten
  • durch die Darstellung ein Bild (Ideal) von etwas ausstellen, etwas entwerfen, einleiten, darstellen, schildern
  • in der Vorstellung bilden
(Quelle: K.E. Georges: Lateinisch-Deutsches Wörterbuch, Hannover 1962)   

Augustinus (354-430 n.Chr.), der große lateinische Kirchenlehrer, hat mit seiner von Platon beeinflußten Philosophie und Theologie das abendländische Denken tief geprägt. In seinem Traktat Über die Dreifaltigkeit analysiert er den Wahrnehmungs- und Vorstellungsprozeß bei Tieren und Menschen. Er faßt diese Vorgänge als Prozesse, wodurch die Abbilder der Dinge die Seele informieren, auf. Das sinnlichen Schauen ist ein Prozeß, so Augustinus, bei dem der Gegenstand die Sinneswahrnehmung informiert. Der Informationsbegriff bezeichnet also die Gestaltung der Sinneswahrnehmung (informatio sensus) (trin. 11,2,3). In diesem Zusammenhang gebraucht Augustinus die Metapher des Eindrückens eines Ringes in Wachs.   

Im Dialog Theätet verwendet Platon ebenfalls diese Metapher um den Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozeß zu erläutern. Was wir sehen oder denken prägt sich, so Platon, in unserer Seele ein,   

"wie beim Siegeln mit dem Gepräge eines Ringes." (Theaet. 191d). 
Das von Platon benutzte Zeitwort enthält das Wort typos, was so viel wie Abdruck bedeutet. Auch Aristoteles bedient sich in seiner Schrift Über die Seele dieser Metapher, um den Denkprozeß zu kennzeichnen, wodurch die Dinge ihre Formen (eidos oder morphé) in unsere Seele einprägen   
"wie bei einer Schreibtafel auf der nichts in Wirklichkeit geschrieben ist." (De an. 430 a 1-2) 
In diesem Prozeß werden, so Aristoteles, die Fomen der Dinge "ohne Stoff" aufgenommen   
"wie das Wachs das Zeichen eines Ringes ohne das Eisen und das Gold aufnimmt." (De an. 424 a 17ff). 
Augustinus verwendet den Informationsbegriff auch im pädagogischen Sinne. Er nennt Christus die Form Gottes (forma Dei), der zu unserer Belehrung (eruditionem) und (geistigen) Formung (informationem) geboren wurde (epist. 12). Im Dialog Über den Staat beschreibt Platon den Erziehungsprozeß als eine Modellierung der Seele. So wie der Handwerker bildet der Erzieher in Modell oder Vorbild (typos) in der Seele des Kindes, wonach es geprägt oder in-formiert wird (Rep. 377b). Platon nennt dieses Vorbild die Idee (idea) des Guten. Der Thesaurus Linguae Latinae erwähnt deshalb mit gutem Grund das griechische Wort hypotýposis (die zugrundeliegende Gestalt) als Herkunft des lateinischen Begriffs informatio.   

Thomas von Aquin (1225-1274), der bedeutende Theologe und Philosoph des Mittelalters, gebraucht den Informationsbegriff als Fachterminus in mehreren Verwendungsbereichen, nämlich:   

  • Im materiellen oder ontologischen Bereich (griech. to on = das Seiende): im Sinne von Beformung oder Versehen der Materie mit einer Form (informatio materiae)
  • Im erkenntnis- und wissenstheoretischen Bereich: die Formung der Sinneswahrnehmung und der Vernunft (informatio sensus, informatio intellectus)
  • Im pädagogischen Bereich: sittliche Formung des Menschen (informatio morum)
Diese Prägungen hängen eng mit dem Einfluß von Aristoteles auf das Denken des Thomas von Aquin zusammen, wobei Thomas zugleich die christliche Perspektive ins Spiel bringt. Diese Synthese zwischen griechischem Denken und christlicher Offenbarung läßt sich am Beispiel des Informationsbegriffs sehr gut veranschaulichen. Thomas unterscheidet zwischen dem Versehen der Materie mit einer Form als einem Wirkungsprozeß, wodurch etwas aus, was schon früher da war, entsteht. Das ist der Fall von Leben aus Leben entsteht. Er nennt diesen Prozeß ein Verursachen per informationem. Von dem unterscheidet er aber die göttliche Schöpfung aus dem Nichts oder Wirkung per creationem (in de causis 18/94) Letzteres ist ein Privileg des christlichen Schöpfergottes. Eng an Aristoteles angelehnt, ist seine Auffassung des Verhältnisses von Leib und Seele im Sinne einer wesentlichen Einheit nach der Art eines Informationsprozesses (secundum informationem) (in III sent. 5.1.2.co/73). In Anlehnung an Aristoteles analysiert Thomas den Erkenntnisprozeß als einen Aktualisierungsprozeß der Seelenvermögen. Er nennt den Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozeß informatio sensus und informatio intellectus.   

Der Unterschied zu Augustinus besteht, kurz gesagt, darin, daß während für den Platoniker Augustinus eine Erkenntnis der Wesensformen (Ideen oder Begriffe) unabhängig vom sinnlichen Prozeß stattfinden kann, dies für den Aristoteliker Thomas nicht möglich ist. Um die Dinge zu erkennen vollzieht die Vernunft einen Abstraktionsprozeß. Die von den sinnlichen Dingen abstrahierten Formen oder Ideen - Aristoteles nennt sie eidos oder morphé, um sie terminologisch von Platons idea zu unterscheiden - werden aber im Erkenntnisprozeß immer in Verbindung mit den sinnlichen Vorstellungen gebracht. Wir erkennen nicht die Ideen an sich, sondern die Dinge in einem zugleich sinnlichen und begrifflichen Informationsprozeß.   

Zusammenfassend halten wir also fest, daß die lateinische Herkunft des Informationsbegriffs uns Auskunft über die Verwendung von informatio/informo im technischen, biologischen und pädagogischen Bereich im klassischen Latein gibt. Ferner konnten wir zeigen, daß dieser Begriff ein Fachterminus der Philosophie war und zwar sowohl im Sinne von Gestaltung des Stoffes oder Selbstgestaltung des Lebens als auch von Formung von Wahrnehmung und Denken. Informatio ist ein Schlüsselbegriff der mittelalterlichen Ontologie, Erkenntnistheorie und Pädagogik. Der darin enthaltene Begriff forma ist die Übersetzung von bedeutungsschweren Begriffen aus der griechischen Philosophie, vor allem aus Platon (idea/typos) und Aristoteles (eidos/morphe).  

Helmut Seiffert faßt diese Entwicklung folgendermaßen zusammen:   

"Das Aufschlagen des lateinischen Wörterbuches", so Helmut Seiffert, "hat uns also einige Überraschungen beschert. Offenbar hat dieses Wort doch kein New Yorker Kolumnist erfunden; es ist ein wenig älter. Und es hat vor allem eine ein wenig vornehmere ursprünglichere Bedeutung, als die meisten Leute anzunehmen geneigt sind.    
"Information" bedeutet erstaunlicherweise eigentlich ungefähr das gleiche wie ein anderes Wort, das wir am genau entgegengesetzten Ende der Wertskala einzureihen gewohnt sind: das Wort "Bildung" nämlich.    
Es ist bekannt, daß dieses Wort Bildung in Deutschland ein kaum noch zu übertreffendes Prestige genießt. Alles, was uns heilig ist, scheint in diesem Wort konzentriert zu sein: Platon und Cicero, Goethe und Beethoven, Künste und Wissenschaften, Kultur des Geistes und des Herzens. Das Wort Bildung wird von allen geliebt wie die schöne Prinzessin im Märchen; ganz am anderen Ende des Palastes aber, irgendwo in der Ecke einer verräucherten Küchen, hockt "Information" als Aschenputtel: verachtet als geschichtslos, oberflächlich, kommerziell, technizistisch.    
Die Wortgeschichte läßt uns das anders sehen. "Information" ist nicht nur ebenfalls eine Prinzessin, denn es heißt ja nichts anderes als Bildung. Sondern historisch gesehen ist das Wort sogar älter: "Information" ist, um im Bilde zu bleiben, die Mutter oder doch wenigstens die Tante von "Bildung". Denn "Bildung" ist seinerseits nur eine Übersetzung älterer bedeutungsschwerer lateinischer Termini, zu denen eben auch "informatio" gehörte.    
Unser wortgeschichtliches Ergebnis ist auch deshalb so aufschlußreich, weil es die Gegner des Wortes Information unter den "Bildungs"freunden mit ihren eigenen Waffen schlägt; denen der historischen Bildung nämlich. Das gleiche Geschichtsbewußtsein, aufgrund dessen mancher die "Bildung" hochhält, brachte uns darauf, ganz einfach einmal im Wörterbuch nachzuschlagen, was "Information" eigentlich im klassischen Latein bedeutete." (Seiffert 1968, S. 27-28) 
Was geschah mit diesem weiten und spezialisierten Bedeutungsnetz im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit als die europäischen Sprachen sich bildeten? 
 
 
 
 

2. Die Bedeutungsentwicklung in Neuzeit und Gegenwart

Die neuzeitliche Bedeutungsentwicklung läßt sich wie folgt zusammenfassen. Mit dem Aufkommen der modernen Wissenschaft und dem damit zusammenhängenden Niedergang der mittelalterlichen Philosophie (Scholastik) gingen die philosophischen Prägungen, darunter vor allem die Bedeutung von Information im Sinne von Formung des Stoffes (ontologische Bedeutung) verloren. Die aus dem Latein sich ableitenden oder vom Latein beeinflußten Sprachen (Französisch, Italienisch, Spanisch, Englisch) behielten zunächst, in der Zeit der Renaissance, die pädagogische Bedeutung von Bildung durch Unterweisung und die Bedeutung von Mitteilung oder Nachricht, die sich aus dem Bereich der Erkenntnistheorie ableitete und bis zur Gegenwart erhalten ist. Die pädagogische Bedeutung ging aber in den letzten zweihundert Jahren verloren. Warum? Helmut Seiffert bemerkt zurecht, daß diese Entwicklung mit der Verlagerung der bedeutungsschweren Termini in die Muttersprache während des 18. Jahrhunderts zusammenhängt (Seiffert 1968, S. 29). Dies ist am deutlichsten im Deutsch ersichtlich. Schauen wir uns aber einige Stationen dieses Prozesses genauer an.   

Die Bedeutung "sich erkundigen" oder "jemanden in Kenntnis setzen" läßt sich im Französischen seit dem Ende des 13. bzw. seit Mitte des 15. Jahrhunderts nachweisen (soi infourmer, informer), dabei auch die Verwendung im juristischen Bereich im Sinne von Wissensermittlung.   

Das Oxford English Dictionary bietet umfangreiche Belege für die Bedeutungsentwicklung von information/inform seit dem 14. Jahrhundert. Dabei zeigt sich der Vorrang der Bedeutung von Mitteilung gegenüber der ontologischen Bedeutung (Formung des Stoffes), wenngleich diese weiterhin gebraucht wird. Außerdem wird die Bedeutung von inform im Sinne von 'formlos' oder 'mißgestaltet' (shapeless, deformed; Lat. informis) nachgewiesen. Hier ist das Bedeutungsnetz ohne Belege:   

Information    
I.  1. The action of informing (in sense 4 of the verb); formation or moulding of the mind or character, training, instruction, teaching.   
2. The action of informing (in sense 5 of the verb); communication of the knowledge or "news" of some fact or occurrence; the action of telling or fact of being told of something   
3. Knowledge communicated concerning some particular fact, subject, or event; that of which one is appraised or told; intelligence given, news   
4.The action of informing against, charging or accusing (a person),    
5. spec. in Eng. Law.   
6. in other legal systems   

II. 7. The action of "informing" with some active or essential quality; the giving of a form or character to something; inspiration, animation (e.g. of the body by the soul)   

Inform    
I.  To give form to, put into form or shape. 1.  trans. To put into (material) form or shape; to form, shape, frame, mould, fashion. 2. intr. To take form; to form or be formed; to appear in a visible shape.   
II. To give "form" or formative principle to (From Scholastic L. informare) . 3. trans. To give "form", formative principle, or determinative character to.   
III. To give form to the mind, to discipline, instruct, teach (a person), to furnish with knowledge. 4. To form, mould, or train (the mind) . 5. To impart knowledge of some particular fact.6. refl. To gain knowledge, instruction, or information. 7. To give information; to report.   
IV. To instruct in (a thing), impart the knowledge of, make known. 8. trans. To impart the knowledge of (a subject, doctrine, method of action etc.); to give instruction in, to teach. 9. To impart the knowledge of (a fact or occurrence); to make known, report, relate, tell. 

Der große englische Gelehrte Samuel Johnson (1709-1784) erwähnt in seinem Dictionary of the English Language (London 1755) folgende Bedeutungen (hier ohne Belege):   
    To INFORM v.a. informer, Fr. informo, Latin    
    • To animate; to actuate by vital powers (...)
    • To instruct; to supply with new knowledge; to acquaint. Before the thing communicated was anciently put with; now generally of, sometimes in; I know not now proper. (...)
    • To offer an accusation to a magistrate (...)
    To INFORM. v.n.    
    • To give intelligence (...)
    Information n.f. informatio, Latin, from inform    
    • Intelligence given; instruction (...)
    • Change or accusation exhibited
    • The act of informing or actuating 
Sein Freund und Biograph James Boswell berichtet folgende Anekdote.  Dr Johnson befand sich eines Tages zusammen mit dem berühmten Maler Sir Joshua Reynolds in der Bibliothek von Mr Cambridge. Johnson fing eifrig an, die Bücher von hinten aufzuschlagen. Darauf bemerkte Sir Joshua, daß Johnson zu den Büchern rennt, wie er zu den Gemälden, nur daß er vom Bild mehr sehen kann als Johnson von den Büchern. Darauf wagte Mr Cambridge die Bemerkung nämlich, daß er, Cambridge, dieselbe Gewohnheit wie Johnson hätte und dieses Begehren, die Rückseite der Bücher anzuschauen, als merkwürdig empfindet. Darauf antwortet Dr Johnson:   
"Sir, der Grund ist offensichtlich. Wissen ist von zwei Arten: Entweder wir wissen selbst über einen Gegenstand, oder wir wissen, wo wir Information darüber finden können."    

("Knowledge is of two kinds. We know a subject ourselves, or we know where we can find  information upon it") (Boswell 1979, S. 186). 

Information bedeutet also für Boswell Wissen einer bestimmten Art, nämlich das uns von anderen - im 18. Jahrhundert vor allem in Form von Büchern - mitgeteilte Wissen und zwar über Gegenstände, über die wir nicht schon selber wissen. Information setzt also den Zustand der Unkenntnis, den des sich davon Gewahrwerdens und die Bereitschaft, sich von anderen etwas darüber sagen zu lassen, voraus. Information ist, mit anderen Worten, vermitteltes oder mitgeteiltes Wissen.   

Wie schon erwähnt, fand die Übertragung des Informationsbegriffs ins Deutsche im 15. Jahrhundert statt, wobei die pädagogische Bedeutung - der Bezeichnung Informator für den Hauslehrer taucht im 16. Jahrhundert auf - übernommen wurde. Der Terminus wurde auch im juristischen Kontext gebraucht. Die philosophischen Enzyklopädien der Neuzeit erwähnen die scholastischen Bedeutungen (Formung des Stoffes). Um die Mitte des 18. Jahrhunderts fand die Übersetzung des pädagogischen Fachterminus (in-)formatio durch Bildung satt. Das Deutsche Wörterbuch von J. und W. Grimm verzeichnet folgende Bedeutungen von Bildung:   

"1. Ursprünglich bedeutete bildung imago, was bild und bildnis (...) 2. Länger hält sich der sinn von forma, species, gestalt, nicht nur der menschlichen, sondern auch der thierischen, und jeder andern natürlichen, dann auch gestaltung (...) 3. Bildung, cultus animi, humanitas (...) 4. bildung, formatio, institutio." 
"Niemand hat mehr dazu getan, die Fremdwörter "Edukation" und "Information" durch ein deutsches Wort zu ersetzen", schreibt I. Schaarschmidt, "als gerade der junge Wieland, der ausdrücklich durch "Information" das Wort "Bildung" erläutert." (Schaarschmidt 1931, S. 46). Christoph Martin Wieland (1733-1813) verwendet den Ausdruck "Information des Verstandes und des Herzens". Bei Friedrich Schiller (1759-1805) ist in seiner Schrift Über die ästhetische Erziehung des Menschen folgendes zu lesen:   
"In diese Operation (nämlich "den Charakter durch Grundsätze zu befestigen", RC) besteht dann auch größtenteils das, was man einen Menschen formieren nennt, und zwar im besten Sinne des Worts, wo es Bearbeitung des innern, nicht bloß des äußern Menschen bedeutet. Ein so formierter Mensch wird freilich davor gesichert sein, rohe Natur zu sein und als solche zu erscheinen; er wird aber zugleich gegen alle Empfindungen der Natur durch Grundsätze geharnischt sein, und die Menschheit von außen wird ihm ebenso wenig als die Menschheit von innen beikommen können." (Schiller 1977). 
Information bedeutet in der Alltagssprache so viel wie Auskunft, Benachrichtigung, Wissensmitteilung. Der Duden. Bedeutungswörterbuch faßt das Bedeutungsfeld folgendermaßen zusammen:   
    "Information, die; -, -en:    
    • (ohne Plural) Unterrichtung, Benachrichtigung, Aufklärung: die I. des Parlaments durch die Regierung war ungenügend.
    • Nachricht, Auskunft: Informationen erhalten, bekommen.
    Informativ, informierte, hat informiert: a) (tr.) (offiziell) unterrichten, in Kenntnis setzen: er hat die Öffentlichkeit über die Ereignisse informiert. B) (rfl.) sich unterrichten, sich Kenntnis verschaffen: er informierte sich über die Vorgänge." 
Zum alltagssprachlichen Informationsbegriff gehören folgende Aspekte:   
  • Sachbezogenheit: Information ist die sprachliche Wiedergabe eines Sachverhaltes
  • Inhalt der Mitteilung: Information ist die sprachliche Wiedergabe eines Sachverhaltes
  • Relevanz: Information ist die sprachliche Wiedergabe eines für den Empfänger nützlichen und neuen Sachverhaltes.
  • Mitteilung: erst durch den Prozeß der Mitteilung wird aus Wissen Information.
Die Alltagssprache bezieht diese Aspekte auf den Menschen.   

Erst vor diesem Hintergrund wird die Bedeutungsveränderung verständlich, welche die Informationstheorie seit den 30er Jahren vollzog.   

 

 
  

Zusammenfassung 

Die gegenwärtige alltagssprachliche Bedeutung von Information im Sinne von Nachricht oder Mitteilung von relevantem Wissen ist das Ergebnis eines langen Prozesses von Bedeutungsverschiebungen und -einengungen, von Übersetzungen und Neubildungen.   

Diese Geschichte ist keineswegs abgeschlossen, wie die Diskussion über den Informationsbegriff in diesem Jahrhundert zeigt. Dabei beginnt sie  mit einer abermaligen Bedeutungseinengung im nachrichtentechnischen Kontext.   

Paradoxerweise führt die hier in den 30er und 40er Jahren stattgefundene Grenzziehung zwischen Information im alltagssprachlichen und Information im nachrichtentechnischen Sinne zu einer erneuten Erweiterung des Bedeutungsspektrums bis hin zu einer Anknüpfung an die antiken lateinischen und griechischen Wurzeln.

  
 
 
  

Übungen 

1. Fassen Sie die Bedeutungen von informatio/informo im klassischen Latein zusammen.  

2. Geben Sie einige Beispiele des fachtechnischen Gebrauchs von informatio/informo bei Cicero, Augustinus und Thomas von Aquin.  

3. Worin besteht der Zusammenhang des lateinischen Informationsbegriffs mit den griechischen Begriffen typos/morphe/eidos/idea 

4. Welche Bedeutungen des lateinischen Informationsbegriffs wurden in die neuzeitlichen Sprachen übernommen  

5. Wann und warum verloren die ontologischen und die pädagogischen Bedeutungen ihre Aussagekraft  

6. Welche Aspekte gehören zum alltagssprachlichen Informationsbegriff heute?

   
 
 
  

Literatur

Boswell, J. (1979): The Life of Samuel Johnson, London.   

Capurro, R. (1978): Information. Ein Beitrag zur etymologischen und ideengeschichtlichen Begründung des Informationsbegriffs, München.   

DUDEN (1989): Etymologie. Mannheim/Wien/Zürich, 2. Aufl.   

Johnson, S. (1968): A Dictionary of the English Language (1755), Hildesheim.   

Schnelle, H. (1976): Art. Information, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. IV, Sp. 116-117.   

Schaarschmidt, I. (1931): Der Bedeutungswandel der Worte "bilden" und "Bildung" in der Literaturepoche von Gottsched bis Herder (Diss., Königsberg).   

Schiller, F. (1977): Über die ästhetische Erziehung des Menschen, Stuttgart.   

Seiffert, H. (1968): Information über die Information, München.   

Wittgenstein, L. (1984): Philosophische Untersuchungen, Werkausgabe   
Bd. 1, Frankfurt a.M. 

 

 
 
   

Inhalt

Einleitung

I. Der Informationsbegriff in der Informationswirtschaft 

II. Der Informationsbegriff in der Informationswissenschaft

III. Der Informationsbegriff in anderen Disziplinen

Rückblick und Ausblick 

 
 
   

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