HERMENEUTIK IM VORBLICK

Einführung in die Angeletik

 
Rafael Capurro
 
 


 

Erschienen in: v.Vf.: Ethik im Netz, Stuttgart Steiner 2003, S. 90-104. Vgl. v.Vf.: Theorie der Botschaft. In: Rafael Capurro & John Holgate (eds.). Messages and Messengers. Angeletics as an Approach to the Phenomenology of Communication. Von Boten und Botschaften. Die Angeletik als Weg zur Phänomenologie der Kommunikation, ICIE Schrifenreihe Bd. 5, München: Fink 2011, 43-66.


Botenbuch


Siehe auch Digitale Bibliothek



 
 
INHALT

I. Hermeneutik im Rückblick
II. Hermeneutik ist die Kunst des hermeneuein
III. Die Urbanisierung der Gadamerschen Provinz  
IV. Angeletik
V. Weltvernetzung als Informations-Gestell

Ausblick

Literatur

Hermeneutik: Eine Einführende Bibliographie
 
 

 
  
 

I. HERMENEUTIK IM RÜCKBLICK

Zu Beginn des Artikels Hermeneutik im Historischen Wörterbuch der Philosophie schreibt Hans-Georg Gadamer folgendes: 
"Hermeneutik ist die Kunst des hermeneuein, d.h. des Verkündens, Dolmetschens, Erklärens und Auslegens, Hermes hieß der Götterbote, der die Botschaften der Götter den Sterblichen ausrichtet. Sein Verkünden ist offenkundig kein bloßes Mitteilen, sondern Erklären von göttlichen Befehlen, und zwar so, daß er diese in sterblicher Sprache und Verständlichkeit übersetzt. Die Leistung der H. besteht grundsätzlich immer darin, einen Sinnzusammenhang aus einer anderen "Welt" in die eigene zu übertragen. Das gilt auch von der Grundbedeutung von hermeneia, die "Aussage von Gedanken" ist, wobei der Begriff der Aussage selber vieldeutig ist, Äußerung, Erklärung, Auslegung und Übersetzung umfassend. Die Aristotelische Schrift Peri hermeneias, ein Teil des Organon, ist gar keine H., sondern eine Art logische Grammatik, die die logischen Strukturen des apophantischen Logos (des Urteils) untersucht und alle anderen Arten des Logos, bei denen es nicht nur auf das Wahrsein ankommt, ausschließt. Die H. als Kunst gehört nach Platon nicht allem Ausdruck von Gedanken zu, sondern allein dem Wissen, das anweist, wie das des Königs, des Herolds usw. In der Epinomis steht die H. in einer Reihe mit der Mantik - offenbar als eine Kunst, die den Götterwillen erklärt, im klaren Doppelsinn von Mitteilen und Gehorsamfordern. Im späteren Griechischen kann dann hermeneia freilich sehr wohl "gelehrte Erklärung" und hermeneus "Erklärer" wie "Übersetzer" heißen. Aber es ist doch bezeichnend, daß die "Kunst" der hermeneia, die H., an die Sakralsphäre gebunden war, in der ein autoritativer Wille Maßgebliches dem Hörenden eröffnet. Davon ist in dem heutigen wissenschaftheoretischen Bewußtsein nichts mehr lebendig, auch wenn die Hauptformen, in denen H. ihre Ausbildung fand, die juristische Auslegung der Gesetze und die theologische oder philologische Auslegung heiliger oder klassischer Texte, den ursprünglich normativen Sinn durchaus noch implizieren. Wenn wir heute von H. reden, stehen wir dagegen in der Wissenschaftstradition der Neuzeit." (Gadamer 1974, 1061-1062)
Diesem Zitat folgt eine hier in geraffter Form wiederzugebende historische Darstellung ausgehend von der theologischen Hermeneutik, deren Hauptproblem das der allegorischen Interpretation oder des "Hintersinns" (hyponoia) war. Höhepunkt dieser Tradition war die von Cassian systematisierte Methode des vierfachen Schriftsinns. Die Reformation suchte mit einem neuen Methodenbewußtsein einen objektiven Sinn der Schrift, jenseits der Verzerrungen durch die kirchliche Tradition. Zu Beginn der Neuzeit entwickelte sich eine allgemeine Auslegungslehre als Teil der Logik. Aber erst Schleiermacher löste die Hermeneutik von der biblischen Anwendung ab. Der normative Sinn eines Textes tritt zurück, zugunsten der Auffassung von Verstehen als kongenialer Wiederholung. Ferner löst Schleiermacher die Hermeneutik vom Schriftlichen ab. Das Gespräch als Begründung des Verstehens tritt in den Vordergrund. Die Hermeneutik wird zur Grundlage aller historischen Geisteswissenschaften.

Die Idee der psychologischen Interpretation bildet dann den Ausgang für Diltheys Auffassung des Erlebnisbegriffes und der Geisteswissenschaften. Das sich daraus ergebende Problem der Relativität historischer Sichtweisen suchte man, von Max Weber bis Karl Jaspers, mit Hilfe von Weltanschauungstypologien zu meistern. Vor diesem Hintergrund würdigt Gadamer Heideggers philosophische Radikalisierung der Hermeneutik, die einen ersten Ausdruck in der Vorlesung von 1923 Hermeneutik der Faktizität (GA 63) fand. Im Gegensatz zu Husserls Wesensontologie legte Heidegger die Existenz selbst als Verstehen und Sich-Entwerfen auf Möglichkeiten aus. Verstehen war dann nicht mehr ein Verhalten unter anderen, sondern die Grundbewegtheit menschlichen Daseins.   
 

Heideggers Hermeneutik bildete wiederum den Ausgang für Gadamers eigene Wege. Dazu zählen seine Betonung des unaufhebbaren Beitrags des Interpreten im Verstehensprozeß und der unhintergehbaren Rolle der Sprache, die, nach eigenem Verständnis, in der Nähe von Wittgensteins "Sprachspielen" steht. Hermeneutik läßt sich dementsprechend nicht bloß als Teilgebiet der Logik auffassen. Aussagen sind Antworten auf vorausgehende Fragen. Ihr Sinn ist nicht von der Motivationsgeschichte wissenschaftstheoretisch ausgedrückt: vom context of discovery zu lösen. Damit bindet Gadamer die Hermeneutik an die Tradition der Rhetorik. Zugleich faßt er den Begriff der Sprache so weit auf, daß er alle menschlichen Ausdruckweisen umfaßt. Sprache meint letztlich die "kommunikativ erfahrene Welt selbst als eine offene Totalität" (Art. Herm., Sp. 1071). Die philosophische Arbeit als Arbeit am Begriff ist insofern wesentlich hermeneutisch als die Weltauslegungen in "Begriffsworte" gefaßt werden, deren Sinn aber wandelbar bleibt. Gadamer schließt seine Ausführungen mit Hinweisen auf Habermas' Kritik am Universalitätsanspruch der Hermeneutik sowie auf den Zusammenhang zwischen Hermeneutik und Psychoanalyse bei Paul Ricoeur und Jacques Lacan. Für Gadamer bleibt die Ausweitung der Hermeneutik auf die Praxis unerläßlich, deren Sinn aber wird nicht ausgeführt.
 

II. HERMENEUTIK IST DIE KUNST DES HERMENEUEIN

Kehren wir aber zu Gadamers Anfang zurück. Dort heißt es:    
"Hermeneutik ist die Kunst des hermeneuein, d.h. des Verkündens, Dolmetschens, Erklärens und Auslegens. Hermes hieß der Götterbote, der die Botschaften der Götter den Sterblichen ausrichtet." (Gadamer, Art. Hermeneutik, Sp. 1061).
Es ist merkwürdig, daß Gadamer in diesem begriffsgeschichtlichen Zusammenhang zwar auf Hermes, nicht aber auf den griechischen Botschaftsbegriff (angelia) eingeht. Die Aristotelische Schrift Peri hermeneias ist, so Gadamer, keine Hermeneutik, 
"sondern eine Art logischer Grammatik, die die logischen Strukturen des apophantischen Logos (des Urteils) untersucht und alle anderen Arten des Logos, bei denen es nicht nur auf das Wahrsein ankommt, ausschließt." (Gadamer, Art. Herm., Sp. 1062)
Es ist bezeichnend, daß das Wort angelia bei Aristoteles nur einmal vorkommt, und zwar in der Poetik (1454 b 5). Es steht dort in Zusammenhang mit der Ankündigung (proagoreuseos) und dem, was einer Handlung vorausgeht oder was ihr nachfolgt und "wovon ein Mensch nicht wissen kann". Etwas Unsinniges (alogon), so Aristoteles anschließend, soll es in den Handlungen des Dramas nicht geben. Angelia und angello kommen zwar bei Platon mehrmals vor, aber der Begriff spielt nicht im Entferntesten die zentrale Rolle, die er in der Dichtung von Homer über Hesiod bis Pindar und den Tragikern hatte (Capurro 1996). In den Platonischen Dialogen findet man, wie jetzt zu zeigen ist, lediglich ein Echo dieser großen Tradition. 

Die Platonische Hermeneutik, von der keine Spuren bei ihrer Umwandlung in die Aristotelische Grammatik des Peri Hermeneias zu finden sind, gehört zur Kunst der Herolde, des Dolmetschers, des Befehlsträgers und des Wahrsagers und unterscheidet sich von der königlichen Kunst des Selbstbefehlens (autepitakton genos) (Politikos 260 e). Hermeneutike meint die Auslegung von Göttersprüchen und steht deshalb in unmittelbarer Nähe der Wahrsagerei (mantike) (Epinomis 975c). Am eindrucksvollsten findet man diese Zusammenhänge in jenem hermeneutischen Dialog par excellence, dem Ion, wo Sokrates die Künste göttlicher Dolmetscher, vor allem der Homeriden, behandelt. Diese haben ihr Wissen aufgrund göttlicher Eingebung (theia moira) und nicht durch eigene Sachkenntnis (techne) (Ion 536d). Die Dichter sind Dolmetscher der Götter (hermenes eisin ton theon) (Ion 534e), und die Rhapsoden wiederum Dolmetscher der Dichter. Anstelle des Verkündens tritt der Sokratische Dialog, die gemeinsame Suche nach Gründen im Medium der gesprochenen Sprache (logos):    

"Ja, reden hören will ich dich sicherlich, doch nicht eher als bis du mir auf folgende Frage Antwort gegeben: Über welches von Homer behandelte Gebiet weißt du gut zu reden (eu legeis)? Gewiß doch nicht über jedes ohne Unterschied?" (Ion 536e)
Allerdings verschwindet die mächtige mythische angelia nicht ganz aus den Platonischen Dialogen. Der Begriff hat aber keine spezifische philosophische Bedeutung, sondern er gehört, wie jetzt zu zeigen ist, sowohl dem Bereich des Mythos und der politischen Herrschaft als auch dem der Alltagssprache zu. Programmatisch können wir feststellen, daß angelia einer Vorstellung von Kommunikation angehörte, die sich von der des philosophischen Logos-Austausches wesentlich unterschied.    

Zu diesen beiden antiken Vorstellungen von Kommunikation, nämlich Kommunikation als die Tätigkeit göttlich inspirierter Boten und Kommunikation als Umgang mit Argumenten, kamen auch, so der Kommunikationswissenschaftler Klaus Krippendorff, die Vorstellung von Kommunikation als Schaffung von Monumenten sowie Kommunikation im Sinne eines gemeinsam geteilten Symbolon hinzu (Krippendorff 1994).

Diese Vorstellungen und die ihnen zugrundeliegenden Metaphern finden sich, wie Krippendorff ausführt, auch in heutigen Auffassungen von Kommunikation. So zum Beispiel in der Metapher einer übertragbaren Botschaft, auf deren Basis das Kommunikationsproblem auf ein Transportproblem reduziert wird oder in der Vorstellung, daß eine Botschaft in einem Behälter (einem Wort, einem Brief, einer Zeitung) 'enthalten' sei (Container-Metapher), oder in der Metapher eines gemeinsam geteilten Wissens (cognitive sharing), oder in der Fluß-Metapher, die den 'Botschaftsfluß' als Kanalisationssystem auffaßt, oder schließlich in der Vorstellung von Kommunikation als Macht- und Kontrollinstrument. Wichtig scheint mir dabei Krippendorffs Feststellung, daß diese Metaphern eng mit den ihnen zugrundeliegenden Phänomenen zusammenhängen und daß in ihnen sich Medien-, Technik- und Sprachgeschichte miteinander verweben. Die folgende skizzenhafte Analyse des Angelia-Begriffs bestätigt diese Analyse und zeigt das (vorläufige) Verschwinden des Boten zugunsten der Macht philosophischer Argumentation. Mit der Sokratischen Abwertung des göttlichen Mediums tritt nicht nur der damit zusammenhängende Sprachgebrauch, sondern auch das Phänomen selbst in den Hintergrund. Diese Geschichte setzt sich aber fort. 

In Platons Dialogen finden sich mehrere Stellen, die den Gebrauch des Angelia-Begriffs in Zusammenhang mit der Tätigkeit des Übertragens einer göttlichen oder staatlichen Botschaft belegen. Der Bote steht stets unter einer höheren Macht. Er darf nicht für sich selbst sprechen. Die Botschaft hat meistens einen Befehlscharakter. Dazu einige Beispiele.    

Am Anfang des 12. Buches der Nomoi heißt es:   

"Wer sich fälschlich als Gesandter (presbeutes) oder Herold (kerux) des Staates bei einem anderen Staate ausgibt oder, wenn er wirklich mit der Gesandschaft betraut ist, die ihm übertragene Botschaft (presbeias) wissentlich fälscht (me apangelle) oder andererseits keinen Zweifel darüber läßt, daß er die von der anderen Seite, sei es Feind oder Freund, ihm übertragene Botschaft als Gesandter oder Herold gefälscht hat, der soll gerichtlich belangt werden als ein Frevler wider die heiligen Gesetze über Botschaften und Aufträge, die unter dem Schutze des Hermes und Zeus stehen (Hermou kai Dios angelias kai epitaxeis); und wird er schuldig befunden, so soll das Gericht die gebührende Strafe oder Buße bestimmen." (Nomoi 941a).
"Als Wächterin über alle solche Verfehlungen", schreibt Plato ebenfalls in den "Nomoi" und er meint an dieser Stelle die Verfehlungen bezüglich der Ehre, die man den Göttern, Heroen sowie den Eltern schuldig ist , "ist Nemesis, die Botin der Dike (Dike Nemesis angelos)" (Nomoi 717d; vgl. Nomoi 758c).    

Im Dialog Kratylos deutet Sokrates die Herkunft des Namen "Hermes" als Dolmetscher (to hermenea), Bote (to angelon), Dieb (to klopikon) und Betrüger (to apatelon) in bezug auf die Rede (in logois). Hermes ist ein geschickter Handelsmann (to agorastikon), dem alles sich um die Macht der Rede (peri logou dynamin) dreht. Sein Name ist zusammengesetzt aus eirein, dem "Gebrauch der Rede", und emesato, "ausfindig machen". Auch der Name der Iris wird von eirein abgeleitet, "weil sie Botin (angelos) war" (Crat. 407e-408b).    

Andere Stellen zeigen aber, daß Platon angello und angelia in einem alltäglichen Zusammenhang gebraucht, ohne daß Sache und Begriff zum Gegenstand philosophischer Reflexion oder zum terminus technicus werden. Dazu einige Beispiele.    

Zu Beginn des Gastmahls kommt ein Sklave mit der Meldung (angellonta), daß Sokrates in der Vortür eines Nachbarhauses stehe (Symp. 175a). Eutyphrons Vater schickt einen Boten (angelon), um die Auslegung des Richters in einem Mordfall zu erfahren (Euthyph. 4d). Kriton bringt Sokrates eine schlimme Nachricht (angelian chalepen), nämlich die seines bevorstehenden Todes (Crit. 43c). Am Schluß des Phaidon sagt Kriton: "Auch weiß ich, daß andere erst lange nach geschehener Ankündigung (parangelthe) den Trank nahmen" (Phaed. 116e) und das mit Bezug auf die vorausgegangenen Ankündigungen des Dieners, der einen Auftrag (angellon) zu erfüllen hatte. Zu Beginn dieses Dialogs wünscht sich Exekrates einen genauen Bericht (saphes ti angeilai) über die Vorgänge in Zusammenhang mit dem Tod des Sokrates (Phaed. 57 b).

Im vierten Buch der Politeia "jagen" Sokrates und Glaukon nach dem Wesen der Gerechtigkeit. Als Sokrates meldet, er hätte "eine Spur des Wildes" entdeckt, antwortet Glaukon:

"'Gute Botschaft' (eu angelleis). Allerdings stellt sich sofort heraus, daß das Wild sich von Anfang an vor ihren Füßen herum trieb!" (Polit. 360a).
Am Schluß dieses Dialogs stellt sich heraus, daß der Gebrauchende eines Gegenstandes der Erfahrenste sei und deshalb dem Hersteller Auskunft geben soll (angelon gignesthai), was er richtig oder falsch macht:
"Also der eine als Wissender gibt Auskunft (exangellei) über taugliche und untaugliche Flöten, der andere schenkt ihm Glauben und verfertigt sie danach?" (Polit. X 601d-e)
Diese Stelle ist insofern besonders hervorzuheben, als hier angelia in einem prima facie paradoxen Zusammenhang mit dem Prozeß der Mitteilung von Fachwissen steht. Der Stelle liegt die Platonische Auffassung des Handwerkers als Nachahmer zugrunde. Der Verfertigter einer Nachahmung hat für Sokrates nur ein Scheinwissen über die Sache gegenüber dem, der diese unmittelbar gebraucht. So kommt es, daß das praktische Wissen des Verbrauchers höher eingestuft wird als das Herstellerwissen. Dementsprechend wird der Prozeß der Wissensmitteilung vom Verbraucher zum Hersteller ebenfalls höher eingestuft als umgekehrt.    

Ebenfalls im neutralen Sinne von Wissensmittelung lautet folgende Stelle am Schluß des Dialogs Philebos:    

"Auf alle Weise also wirst du, Protarchos (den Abwesenden) durch Boten (angellon pempon), den Anwesenden durch eigenen Mund verkünden (phrazon), daß die Lust nicht das erste und auch nicht das zweite Besitztum sei." (Phil. 66a)
Dieser neutrale Gebrauch von angellein kehrt sozusagen das hermeneutische Verhältnis dichterischer Mitteilung, so wie sie im Dialog Ion gedeutet wurde, um.

Zusammenfassend können wir feststellen, daß angelia sowohl zum höheren, von Sokrates philosophisch relativierten Bereich der Götter und der Könige und ihrer befehlenden Mitteilungen, aber auch zum alltäglichen niederen oder dienenden Handlungsbereich gehört. Die Philosophie stellt sich kritisch gegenüber dem autoritativen oder vertikalen Charakter der angelia und ersetzt diesen durch den horizontalen diskursiven Modus des dialektischen oder kritischen Besprechens (logos) als Ursprung des Wissens. Auch wenn die Ergebnisse der gemeinsamen Suche im Dialog anderen mitgeteilt werden, gilt in Wahrheit das Phänomen des philosophischen Dialogs selbst als die neue Mitteilungsform, die die alte Angelia-Struktur ersetzt oder in den Dienst des logos nimmt.

Ich habe in einem anderen Zusammenhang (Capurro 1995 und 1996) die Problematik des Verhältnisses zwischen logos und angelia im Sinne einer an Nietzsche und Foucault sich orientierenden Genealogie der Information gedeutet und wie folgt zusammengefaßt:    

"die dichterische Gestaltung des Mitteilungsprozesses (bedeutete) eine Abschwächung der Machtstrukturen des Mythos, so wie wiederum die Geburt der Philosophie in der Athenischen Agora zu einer Infragestellung des mythisch-dichterischen Botschaftsbegriffs (angelia) führte, indem die heteronome Dimension dieses Mitteilungsmodus die Verkündung der göttlichen Weisheit (sophia) durch die Vorstellung einer autonomen Erkenntnissuche (philosophia) , wenn nicht ersetzt, doch zumindest verdrängt wurde. Die Herrschaft des philosophischen logos mit ihren spezifischen Machtstrukturen trat an.     
Die christliche Botschaft bedeutete wiederum eine erneute Verstärkung des heteronomen Mitteilungsmodus, der erst in der Neuzeit auf der Basis der Autonomie der Subjektivität und des von ihr vorgestellten zensurfreien Raums des freien, wissenschaftlichen Mitteilens auf der Basis des gedruckten Wortes in Frage gestellt wurde. Dieser Raum ist heute nicht mehr primär durch das gedruckte Wort, sondern durch die elektronischeVernetzung multimedial gestaltet. Die ihn bestimmenden Machtstrukturen sind vorwiegend wirtschaftlicher Natur. Der Sinn des dichterisch-philosophischen Mitteilens und die neuzeitliche Idee der Denk- und Mitteilungsfreiheit als jeweils unterschiedliche menschen- formende Kräfte scheinen [...] in der rastlosen Informations- zirkulation beinah aufgelöst zu sein." (Capurro 1995, S. 99)
In Wahrheit aber bringt die rastlose Informationszirkulation eine neue Mitteilungs- und Verstehensstruktur hervor. Diese veränderten Strukturen sehe ich als Herausforderung für eine künftige Hermeneutik an, die sich nicht nur als Kunst des Auslegens, sondern ebensosehr als des Verkündens und Dolmetschens im informationstechnologischen Kontext versteht.
 

III. Die Urbanisierung der Gadamerschen Provinz

Im Anklang an Habermas' Diktum über Gadamers Hermeneutik im Sinne einer "Urbanisierung der Heideggerschen Provinz" können wir - wie mir Götz Großklaus suggerierte - in Anbetracht der Herausforderung durch die Informationstechnik von der Notwendigkeit einer "Urbanisierung der Gadamerschen Provinz" sprechen. Wir könnten auch "sowie der Habermasschen Provinz" hinzufügen. Letzteres meint, daß nach dem Paradigmenwechsel vom Bewußtsein zur sprachlichen Verständigung diese wiederum vom Paradigma der elektronischen Vernetzung abgelöst wird. Die Grundlegung der Sozialwissenschaften erfolgt nicht primär kommunikationstheoretisch, sondern netzwerktechnisch. Der Diskursethik folgt die Informationsethik.    
"Die Überlieferung, in der wir leben ist nicht eine sogenannte kulturelle Überlieferung, die aus Texten und Denkmälern allein bestünde und einen sprachlich verfaßten oder geschichtlich dokumentierten Sinn vermittelte. Vielmehr wird uns die kommunikativ erfahrene Welt selbst als eine offene Totalität beständig übergeben" (Gadamer, Hermeneutik, Sp. 1071). 
Nun meine ich, daß diese "kommunikativ erfahrene Welt" immer mehr durch neue Kommunikationsmedien allem voran durch die elektronische Vernetzung - "beständig" - oder sollten wir besser sagen 'unbeständig'? "übergeben wird." (Capurro)

Es mutet deshalb seltsam an, wenn Gadamer, der sich offensichtlich sowohl über den Mitteilungsprozeß als auch über die unterschiedlichen Qualitäten der Mitteilungsmedien bewußt ist und nicht etwa die Oralität zugunsten der Schriftlichkeit ausspielt, sich teils zustimmend, überwiegend aber skeptisch gegenüber der elektronischen Information äußert, ja diese nicht als eine Herausforderung für eine Transformation der Hermeneutik in Betracht zieht. Unter dem Titel Hermeneutik im Rückblick im Band 10 seiner Gesammelten Werke ist zum Beispiel in einem Aufsatz aus dem Jahre 1988 folgendes zu lesen:

"Da stehen wir heute vor ungeheuren Aufgaben. Es sind ungeahnte Fortschritte im Informationswesen, zu denen die moderne Technik geführt hat. [...] Wie vollständig ist doch etwa ein heutiger Index, den uns der Computer erstellt! Wie prompt ist die Bedienung der Bibliotheksbenutzer durch den Computer. Jedes Buch ist rasch erhältlich. Aber ist das wirklich nur ein Fortschritt? Ich habe immer wieder Zweifel. Wenn alle Informationen, die man braucht, sogleich erhältlich sind - ob es nicht besser ist, wenn ich etwas vergessen habe und es wieder suchen muß und dabei dann vielleicht noch etwas anderes finde als das, was ich suchte? Das nennt man nämlich wahrhaft Forschen: Fragen stellen, die immer noch weiter zu Fragen führen, die man nicht voraussah." (Gadamer, Herm. im Rückblick, S. 219).
Ich meine, daß Gadamer hier Dinge verwechselt, nämlich als ob die Möglichkeit, die etwa eine Online-Suche in einem Bibliothekskatalog bietet, im Gegensatz zum forschenden Fragen stünde. Wenn kurz danach vom "heilsamen Wunder des Vergessens" und von der "verklärenden Zaubermacht des Erinnerns" die Rede ist, wird dieses in beinah beschwörender Weise dem "Abrufen von Daten aus Datenbanken", das uns "von solchem Glück nichts bescheren kann", gegenübergestellt. Es ist anschließend auch von einer "lähmende(n) Masse von Informationsfluten", die "uns bis an den Hals steht" die Rede! (ibid. S. 220). Keine "Kybernetik" und keine "regeltreue Hermeneutik" kann dazu helfen, so Gadamer, "das Neue, das Andere oder den Anderen, mit dem wir es zu tun haben oder auch nur uns selbst besser zu verstehen." (a.a.O.)

Das sind Teilwahrheiten und Schlagworte, die zu falschen Alternativen führen. Da wird in einem anderen Aufsatz aus dem Jahre 1993 die "Computersprache", die man heute in der Schule lernen soll, dem "wahren Miteinandersein" der "Sprachgemeinschaft" wiederum fälschlicherweise gegenübergestellt (Gadamer, a.a.O., S. 277-278). In einem Aufsatz aus dem Jahre 1972 (Gadamer, a.a.O., S. 317ff) wird die "Kunst des Lesens" in "unserer literarischen Kultur" gegen "die allgemeinen Nachrichtenmittel von der Presse über den Rundfunk bis zum Fernsehen" hochgehalten und dabei Sokrates als Anwalt gerufen, der ganz und gar zu einer oralen Kultur gehörte. Er war bekanntlich kein Humanist.

"Wenn wir heute von H. reden, stehen wir dagegen (im Gegensatz also zur Einbindung der Hermeneutik in die Sakralsphäre in der Antike, RC) in der Wissenschaftstradition der Neuzeit." (Gadamer, Art. Hermeneutik, Sp. 1062) Für diese neuzeitliche Tradition ist Hermeneutik die Kunst der rechten Auslegung - von gedruckten Schriften, sollten wir hinzufügen. Wenn aber Gadamer in der Nachfolge Platons immer wieder die Bedeutung des Gesprächs für die Auslegung der schriftlichen Tradition betont, dann bringt er dadurch zugleich den Unterschied in den Formen oder, wie wir heute sagen, in den Medien der zwischenmenschlichen Verständigung zur Sprache. Denn die Hermeneutik ist ja die Wissenschaft von den Formen, Bedingungen und Grenzen der Verständigung zwischen den Menschen. Ich meine, daß gerade die antiken Wurzeln der Hermeneutik als die Kunst des Mitteilens und Dolmetschens uns einen Wink in eine vergessene Dimension geben.    
 

IV. Angeletik

Ein neues Medium der Verständigung bringt auch eine Veränderung der Hermeneutik mit sich. Ich meine, daß gerade das mit dem Wort "elektronische Vernetzung" angesprochene Medium eine solche Veränderung der Hermeneutik bewirkt. Es ist dann die Frage, wie die Bedingungen und Grenzen der Verständigung zwischen den Menschen im Medium der elektronischen Weltvernetzung aufgezeichnet werden können. Dies ist das Thema einer Hermeneutik im Vorblick. Hermeneutik verstanden nicht nur als Kunst der Auslegung, sondern ebensosehr als die der Mitteilung und der Mitteilungsmedien. Eine Hermeneutik als Botschaftstheorie oder Angeletik, wie wir sie auch nennen könnten, umfaßt Bedeutung, Zeichen, Medium und Mitteilung. Sie befindet sich an der Schnittstelle von Texthermeneutik, Semiotik, Medientheorie und Kommuni- kationstechnologie.

Die Hermeneutik knüpft hiermit an den Ursprung der Kunst des hermeneuein im Sinne des Verkündens und Dolmetschens, der griechischen angelia, an. Wenn wir heute von Hermeneutik sprechen, stehen wir nicht mehr nur in der Wissenschaftstradition der Neuzeit, des gedruckten logos und der Fraglosigkeit dieses Mitteilungsmediums. Vielmehr und das unterscheidet uns gerade von der Antike wir verbinden diese Kunst nicht mehr mit der Sakralsphäre und der Hierarchie des Befehlens, sondern mit den technischen Einrichtungen der elektronischen Vernetzung und der Perspektivität der Interessen im lokalen und globalen Maßstab. Das heißt wiederum nicht, daß mit der elektronischen Vernetzung so etwas wie die Verwirklichung des herrschaftsfreien Dialogs im Weltmaßstab eingetreten wäre oder eintreten könnte.    

Die heutige Form der angelia ist die der elektronischen Vernetzung und die Hermeneutik im digitalen Medium wird zur Informationshermeneutik. Diese soll die Bedingungen und Grenzen der Verständigung zwischen den Menschen im Informationszeitalter erforschen. Ihr Stoff sind nicht mehr nur die gedruckten Schriften oder auch das auratische Gespräch face to face mit (oder ohne) kontrafaktischen Rationalitätsidealen als Teilnahmebedingung, sondern das elektronische interface mit all der Komplexität seiner Darstellungen, Verknüpfungen, Such- und Kommunikationsmechanismen.    

Man könnte diese durch die Digitalisierung und Vernetzung transformierte Hermeneutik auch artifizielle Hermeneutik nennen (Capurro 1993). Friedrich Kittler hat den Ausdruck Hermenautik geprägt (Kittler 1988). Der Ausdruck artifizielle Hermeneutik ist aber insofern mißverständlich, als bereits die Drucktechnik und letztlich auch die Schrift dem Bereich des Artifiziellen, also des vom Menschen Gemachten angehören. Ich habe in einem anderen Zusammenhang die elektronische Artifizialität im Sinne einer Unterwanderung der Interpretationsgemeinschaft und mit ihr des "wirkungsgeschichtlichen" (Gadamer) Zusammenhangs von Tradition und Interpretation folgendermaßen gedeutet:

"Es ist besonders durch die elektronische Artifizialität mit ihrer Vielfalt an Medien, Netzen und kombinatorischen Ex- und Implosionen aus Bildern, Tönen und Texten, wodurch wir schon im Vorfeld der Interpretation nicht nur den inhaltlichen Überblick über das, was es alles an potentiell relevanten Mitteilungen gibt, immer schon verloren haben. [...] Durch die Artifizialität der Informationssphäre verändern sich auch die aisthetischen (aisthesis = Wahrnehmung) Rahmenbedingungen der herkömmlichen Hermeneutik. [...] 
Während die klassische rhetorische Situation vom Redner ausgeht, der zu überzeugen (persuasio) versucht, muß eine sozusagen artifizielle Rhetorik von der Bedingtheit der Kommunikanten durch die Zirkulationssphäre der Information ausgehen, so daß rhetorische Kategorien wie Findung (inventio) oder Anordnung (dispositio) in Zusammenhang mit artifiziellen Techniken wie information retrieval, Hypertext-Methoden, Software-Design usw. neu bedacht werden müssen. [...]  
Die artifizielle Hermeneutik ist nicht bloß eine interpretierende, sondern eine zugleich konstruierende. Sie ähnelt somit eher der Heideggerschen Hermeneutik der Existenz im Sinne eines praktischen Lebensentwurfs als der methodologischen Texthermeneutik der Geisteswissenschaften. Als Hermeneutiker und Hermenautiker stehen wir zwischen Tradition und Information. Wir müssen im vernetzten Labyrinth des Informations-Gestells navigieren und es lebensweltlich gestalten. Dieses klippen- und strömungsreiche Labyrinth arbeitet nicht nur, um an Nietzsche zu erinnern, "mit an unseren Gedanken", sondern auch an unseren Taten. Durch Humanismus, Naturalismus und Technizismus versuchen wir vergebens die Mitte unserer Existenz festzulegen. Wenn wir uns auf die Entzugsdimensionen des Informations-Gestells einlassen, dann zeigt sich in der Kühle und Profanität des Artifiziellen die labyrinthische Natur unseres Begehrens, uns jenseits der Natur technisch anstatt metaphysisch zu transzendieren. Diese untergründige, wuchernde und chaotische Dimension des Artifiziellen, die nicht selten das Gewand des Faszinierenden anhat, bietet einen unendlichen Stoff für technologische Mythen." (Capurro 1995, 72-77)
Man könnte diese digitale Transformation der Hermeneutik in die Terminologie der Sozialtheorie von Niklas Luhmann folgendermaßen übersetzen. Die Gesellschaft ist für Luhmann Kommunikation und diese besteht aus Mitteilung, Information und Verstehen. Unter "Mitteilung" bezeichnet Luhmann die Selbstreferenz eines Systems, sofern dieses durch seine Handlung einen "Selektionsvorschlag" oder eine "Anregung" macht (Luhmann, Soziale Systeme, S. 194). Hier wendet sich Luhmann ausdrücklich gegen die Metapher einer dinglichen Übertragung von Information zwischen einem Sender und einem Empfänger. Aber erst wenn das System die Mitteilung annimmt (und nicht etwa ablehnt) und eine Selektion vornimmt, findet "Information", d.h. der Bezug des Systems zu einem fremden Repertoire (Fremdreferenz), statt. 

Den Prozeß des Auseinanderhaltens und Beziehens von Mitteilung und Information nennt Luhmann "Verstehen". Er schreibt:    

"Eine Information kommt immer dann zustande, wenn ein selektives Ereignis (externer oder interner Art) im System selektiv wirken, das heißt Systemzustände auswählen kann. Das setzt die Fähigkeit zur Orientierung an Differenzen (im Zugleich oder im Nacheinander) voraus, die ihrerseits an einen selbstreferentiellen Operationsmodus des Systems gebunden zu sein scheint. "A 'bit' of information", heißt es bei Bateson, "is definable as a difference which makes a difference". Das bedeutet, daß die Differenzen als solche zu wirken beginnen, wenn und soweit sie in selbstreferentiellen Systemen als Informationen behandelt werden können." (Luhmann, Soziale Systeme, S. 68)
Luhmann schreibt ferner:    
"Die Übertragungsmetapher legt das Wesentliche der Kommunikation in den Akt der Übertragung, in die Mitteilung. Sie lenkt die Aufmerksamkeit und die Geschicklichkeitsanforderungen auf den Mitteilenden. Die Mitteilung ist aber nichts weiter als ein Selektionsvorschlag, eine Anregung. Erst dadurch, daß diese Anregung aufgegriffen, daß die Erregung prozessiert wird, kommt Kommunikation zustande." (Luhmann, Soziale Systeme, S. 193-194)
Vielleicht entgeht aber Luhmann durch seine Kritik der Übertragungsmetapher die ganze Problematik einer Kunst des Mitteilens. Begriffe wie "Selektionsvorschläge" und "Anregungen" sind nicht nur zu allgemein, sondern auch nicht medienspezifisch reflektiert.    

Luhmann thematisiert zwar die qualitativen Unterschiede der Medien und ihrer Auswirkung auf "Kommunikation" im Sinne der Einheit von "Mitteilung", "Information" und "Verstehen", geht aber auf die interaktive Vernetzung nicht ein, sondern er bleibt auch in seinen neuen Veröffentlichungen auf die "Realität der Massenmedien" bezogen (Luhmann 1996 und 1997). In seiner früheren Schrift "Soziale Systeme" hatte er über die Wirkung des Mediums auf das Verhältnis von Mitteilung, Information und Verstehen folgendes geschrieben: 

„Erst die Schrift erzwingt eine eindeutige Differenz von Mitteilung und Information, und der Buchdruck verstärkt dann nochmals den Verdacht, der sich aus der Sonderanfertigung der Mitteilung ergibt: daß sie eigenen Motiven folgt und nicht nur Dienerin der Information ist. Erst Schrift und Buchdruck legen es nahe, Kommunikationsprozesse anzuschließen, die nicht auf die Einheit von Mitteilung und Information, sondern gerade auf ihre Differenz reagieren: Prozesse der Wahrheitskontrolle, Prozesse der Artikulation eines Verdachtes mit anschließender Universalisierung des Verdachts in psychoanalytischer und/oder ideologischer Richtung.“ (Luhmann, Soziale Systeme, S. 223-224)
Es ist hier die Frage, inwiefern die digitale Vernetzung eine neuartige Form der Differenz zwischen Mitteilung und Information bewirkt oder, anders ausgedrückt, inwiefern die Prozesse der Wahrheitskontrolle und der Verdachtsartikulation sich im neuen Medium vollziehen.

In einem Beitrag zum Thema Internet der italienischen Zeitschrift Telèma. Attualità e futuro della società multimediale bemerkt Gianni Vattimo, daß die Philosophen des 19. Jahrhunderts vom Bild des Motors und der Mechanik beherrscht waren (Vattimo 1997). Dieses Bild verursachte Ängste bezüglich des Verlustes des Menschlichen zum Beispiel in der technisch-wissenschaftlichen Rationalisierung der Arbeit. Die Idee eines alles dominierenden Mittelpunktes prägte etwa die Nazi-Propaganda. Die Antipoden Heidegger und Adorno befürchteten den Verlust des Charakters von Unvorhersehbarkeit und Freiheit menschlichen Existierens. Wenn aber, so Vattimo, das Modell des Motors durch das des Netzes ersetzt wird, wird auch eine neue Einstellung der Philosophie zur Technik und ihren existentiellen Auswirkungen möglich. Die Moderne ist die Zeit des Motors und mit ihm des Reisens und der mechanischen Industrie. Sie ist philosophisch in der Idee eines die Peripherie bewegenden Zentrums begründet. Eine Idee, die sich kulturgeschichtlich in der Vorstellung einer Europäisierung der Welt ausdrückte. 

Wenn der Terminus post-modern irgendeinen Sinn hat, dann ist es genau die Ablösung jenes zentralen Motormodells durch die zunächst etwas vage Vorstellung eines Netzes mit seinen Verknüpfungen, das eines letzten Knotens oder eines letzten Fundaments nicht bedarf. Vattimo schreibt:

„Wenn, wie es scheint, eines der Probleme oder vielleicht das die Philosophie des 20. Jahrhunderts bestimmende Problem das Verhältnis zwischen Freiheit und wissenschaftlich-technischer Weltrationalisierung gewesen ist [...], dann läßt sich mit gutem Grund denken, daß das Thema, das sich der Philosophie am Ende dieses Jahrhunderts und in den darauffolgenden Jahrzehnten stellt, ein Überdenken der menschlichen Existenz nochmals die Frage von Freiheit und Geschichte in bezug auf das Sichgestalten des Netzes ist.“ (Vattimo 1997, S. 5, Übers. RC)
Wenn also, wie Gadamer im anfangs zitierten Beitrag zum Historischen Wörterbuch der Philosophie bemerkt, die Hermeneutik in der Wissenschaftstradition der Neuzeit steht, dann stellt uns die elektronische Vernetzung Vattimo zufolge vor die Aufgabe, sie zugleich aus dieser Tradition und ihrer Modelle heraus und über sie hinaus zu überdenken. Das bedeutet zum Beispiel zu fragen, welche hermeneutische Tragweite Techniken wie das information retrieval haben, die in den 50er Jahre entwickelt wurden und heute durch Hypertextmethoden, elektronische Suchmaschinen, digitale Bibliotheken, E-Mail-Kommunikation, Videokonferenzen usw. neue quantitative und qualitative Dimensionen erschlossen haben. Ich meine hiermit nicht nur die Frage nach ihrer texthermeneutischen und rhetorischen Bedeutung, obwohl diese Frage zum Beispiel bei der Gestaltung elektronischer Informations- und Kommunikationsdienste von zentraler Bedeutung ist (Capurro 1992, Ingwersen/Pors 1996), sondern ebensosehr die Frage, wie sich, in Vattimos Worten, menschliches Existieren im Horizont einer sich allmählich vernetzenden Menschheit vollzieht.
 

V. WELTVERNETZUNG ALS INFORMTIONS-GESTELL

Im April 1994 hat Gianni Vattimo drei Vorlesungen auf Einladung von Umberto Eco an der Universität Bologna gehalten, die unter dem Titel "Jenseits der Interpretation. Die Bedeutung der Hermeneutik für die Philosophie" 1997 in deutscher Übersetzung erschienen sind (Vattimo 1997). Die erste Vorlesung "Die nihilistische Berufung der Hermeneutik" beginnt mit folgenden Worten:
„Die Mitte der achtziger Jahre aufgestellte Hypothese, die Hermeneutik sei zu einer Art koine, einer gemeinsamen Sprache nicht nur der philosophischen, sondern der abendländischen Kultur insgesamt geworden, scheint noch nicht widerlegt zu sein.“ (Vattimo 1997, S. 13)
Vattimo bezeichnet als Hermeneutik jene Philosophie, die durch Heidegger und Gadamer entwickelt wurde, auch wenn diese nicht die einzigen Klassiker der Hermeneutik des 20. Jahrhunderts sind. Heidegger und Gadamer stehen als Chiffren für eine begriffliche Spannung, die Vattimo als die zwischen Ontologie und Sprachlichkeit bezeichnet. Gadamers „Urbanisierung der Heideggerschen Provinz“ (Habermas) läßt sich so deuten, daß bestimmte für Heidegger zentrale Themen, wie zum Beispiel das der Metaphysik als Seinsvergessenheit, in den Hintergrund treten oder ganz verschwinden. Eine Urbanisierung gelingt aber nur, so Vattimo, wenn man gerade diese ontologischen Aspekte nicht vergißt.    

Vattimos These lautet, daß die hermeneutische Entdeckung vom Spiel der Interpretationen oder vom interpretativen Charakter der Wahrheit oder von der „Schwächung des Seins“ gewissermaßen selbst relativiert werden muß. Geschieht diese Relativierung im Sinne von Derridas Dekonstruktivismus, entsteht der Anschein von Beliebigkeit und Irrationalismus. Vattimos Alternative besteht darin, daß er die Geschichte des Nihilismus als Herkunft der Hermeneutik erzählt. Eine solche Erzählung ist dann eine schwache Form von Legitimation. Vattimo schreibt:    

„Vor allem dies ist die 'nihilistische' Bedeutung der Hermeneutik: Wenn wir nicht denken, daß der Übergang von der Metaphysik der Präsenz zur Ontologie der Herkunft die Korrektur eines Irrtums sei, sondern das Ereignis des Seins selbst, Hinweis auf ein ihm eigenes 'Geschick', dann ist die durch diese Entwicklung offenbarte Tendenz zur Schwächung eine solche fraglos nur, wenn man nach der metaphysischen Kategorie der Präsenz, der Fülle geht – die Wahrheit von Nietzsches Nihilismus, der eigentliche Sinn des Todes Gottes, das heißt der Auflösung der Wahrheit als endgültiger und 'objektiver' Evidenz; bisher haben die Philosophen geglaubt, die Welt zu beschreiben, jetzt kommt es darauf an, sie zu interpretieren...“ (Vattimo 1997, S. 31)
Wenn ich jetzt versuche Vattimo an dieser Stelle weiterzudenken, dann stellt sich die Frage, wie die elektronische Weltvernetzung oder das Informations-Gestell, wie ich die gegenwärtige Erschlossenheit in Anlehnung an Heidegger bezeichne, in diese Geschichte hineingehört. Um den letzten Satz aufzugreifen: Die bisherigen Hermeneutiker haben geglaubt, die Welt zu interpretieren, jetzt kommt es darauf an, sie zu vernetzen. Allem Anschein nach stellt die Weltvernetzung mit ihrem Anspruch an Gleichzeitigkeit und Normierung den Gipfel der Metaphysik der Präsenz dar. Vattimo weist aber darauf hin, daß der Begriff des Ge-Stells sowohl als Vollendung der Metaphysik als auch als die erste Ankündigung ihrer Überwindung verstanden werden kann (Vattimo, 1997, S. 157). Letzteres ist nur dann möglich, wenn wir die Vernetzung nicht transzendental, sondern geschichtlich, als eine sich gebende Erschlossenheit verstehen. 

Daß diese Interpretation nicht eine willkürliche Projektion ist, zeigt Vattimos Hinweis auf die Zentrumslosigkeit des Netzes, auf seine Schwäche also. Mit einer auch von Vattimo benutzten Metapher können wir uns mit Vattimo fragen, ob die Wahrheit, in der der „spätmoderne Mensch“ „wohnt“ nicht als ein Wohnen in der Bibliothek von Babel (Borges), im Gegensatz etwa zu einer nationalen Staatsbibliothek, aufgefaßt werden kann (Vattimo 1997, S. 131). Borges Bibliothek ist aber eine unendliche, universale und ewige. Sie ist eine metaphysische Bibliothek. Die Perspektive, unter der wir leben, ist aber die eines, so Vattimo, nie abgeschlossenen Netzes von Bezügen, ein Netz, „das durch die (nicht zwangsläufig aus der Vergangenheit kommenden) vielfältigen Stimmen der 'Über-lieferung' zustande kommt, welche in der Sprache erklingen, in der jene Sätze formuliert sind.“ (Vattimo 1997, S. 132).    

Was einer solchen - wie wir heute sagen - multikulturellen Sicht zuletzt in der Gestalt der elektronischen Vernetzung oder des Informations-Gestells ihre philosophische Legitimierung verleiht, ist nicht die bloße Feststellung, daß es eine Vielzahl von Perspektiven gibt, in deren babylonischer Überlagerung wir umherirren, sondern daß aufgrund des Sterblichkeitscharakters des Daseins oder der Ereignishaftigkeit des Seins diese Vielfalt von Perspektiven unterschiedliche menschliche Antworten auf eine sich-gebende 'Überlieferung' sind.

Wenn dem so ist, dann, so Vattimo am Schluß seiner Vorlesungen an der Universität Bologna, muß die Hermeneutik Gadamers das Verhältnis zu jener „Über-lieferung“ wozu sie gehört, nämlich zur Moderne, überdenken:    

„Das Verhältnis der Hermeneutik zum modernen Szientismus oder zur Welt der technischen Vernunft kann nicht nur oder hauptsächlich ein Verhältnis polemischer Ablehnung sein - als ob es einmal mehr darum ginge, den theoretischen und praktischen Irrwegen der Moderne ein wahreres Wissen und eine authentischere Sicht der Existenz entgegenzusetzen. Ganz im Gegenteil geht es darum, anzuerkennen und zu zeigen, daß die Hermeneutik eher eine „Konsequenz“ denn eine Anfechtung der Moderne ist.“ (Vattimo 1997, S. 156-157)
Die Hermeneutik muß den Anschluß an jenes wissenschaftlich-technische Ereignis der Spätmoderne finden, die unsere heutige Welt prägt, nämlich an die elektronische Weltvernetzung. Sie ist eine Weise der Welterschlossenheit. Entscheidend ist aber, daß wir sie als eine solche sehen und gestalten lernen. Im Vergleich zu anderen ererbten Erschlossenheiten und im scheinbaren Widerspruch zu ihrem wissenschaftlich-technischen Charakter zeigt sie paradoxerweise die Züge eines ephemeren und nicht kontrollierbaren Ereignisses. Das Internet ist in der Tat ein Mythos oder eine Fabel (Münke und Roesler 1997), die aber, hermeneutisch gesehen, in die von Nietzsche erzählte Geschichte des Nihilismus gehört, als unsere Antwort auf die „Über-lieferung“ der Moderne. 

Welche sind die Chancen und Grenzen einer transkulturellen (W. Welsch), elektronisch vermittelten Verständigung? Welche Formen dezentralisierter Vorverständnisse sind durch die Vernetzung möglich und wünschenswert? Das von Friedrich Kittler geprägte Wort Hermenautik bringt eine Seemannsmetapher ins Spiel, die dem entlinearisierten und dezentrierten Netzmodell eher entspricht als etwa die Vorstellung eines Zirkels (mit Zentrum und Peripherie) und sie schließt auch in diesem nautischen Kontext das Bild eines Horizontes ein (Kittler 1988, Vgl. Capurro 1995). Unsere Verständigungsprozesse gestalten sich immer mehr im Sinne von hermenautischen Netzen, in denen wir navigieren und an denen wir in vielfältiger Weise gemeinsam spinnen.

AUSBLICK

Spinnen ist eine alte Metapher. Ekkehard Martens ist ihr in seinem Buch "Der Faden der Ariadne" nachgegangen (Martens 1991). Diese Metapher würde uns in die Irre führen, wollten wir den einen roten Faden suchen, der angeblich ins Zentrum des Labyrinths führt. Denn ein solches Zentrum gibt es nicht. Während das mythische Denken dem autoritativen Faden göttlicher (und später auch säkularer) Verkündungen gehorchte, traute Sokrates (und später auch die Neuzeit) nur dem logos (der ratio) . Aber weder mit der fremden Hilfe eines "roten Fadens" noch mit einer Überschätzung des Logosvertrauens ist es getan. In diesem Sinne schließt Martens seine Überlegungen mit folgendem Satz ab:    
„Der „berühmte und so fest gedachte Faden“ ist gerissen, hoffentlich. Wir müssen endlich damit ernst machen, ihn weiterzuspinnen, mit dem Kopf, aus dem Bauch und mit der Hand. Dabei gilt es gelassen zu unterscheiden, was in unserer Hand liegt und was nicht, auch, wann uns kreatives Denken und Handeln bloß als fremde Leistung abverlangt wird und wann es eine notwendige und befriedigende Äußerung menschlichen Daseins ist.“ (Martens 1991, S. 101)
Das bedeutet konkret, daß wir die ethische Frage nach dem Netzzugang (freedom of access) im Sinne einer dritten epochalen Frage, neben den Fragen nach der Rede- und Pressefreiheit (freedom of speech, freedom of the press) nicht allein mit Überlegungen über Rationalitätsmaßstäbe, wie im Falle einer Diskursethik zum Beispiel, beantworten können. Die Kraft des besseren Arguments ist keineswegs obsolet, aber sie ist nicht das entscheidende Kriterium etwa für das Angebot oder für die Annahme (oder Ablehnung) einer elektronischen Botschaft. Gleichwohl gilt im Netz vordergründig die Maxime: "anything goes" (P. Feyerabend), aber die Alternative ist nicht die Herrschaft einer zentralen Vernunft, sondern das sich überschneidende transversale Gespräch der Kulturen und Traditionen. Das Netz ist nicht der Ausdruck einer reinen, sondern einer mestizen Vernunft. Es ist auch kein kontrafaktisches Ideal einer perfekten radikaldemokratischen Struktur.

Wenn eine künftige Informationshermeneutik die Frage nach den Bedingungen der Verständigung zwischen den Menschen im Horizont der globalen elektronischen Vernetzung stellt, fragt sie auch nach den Grenzen dieses Mitteilungsmodus. Wolfgang Welsch schreibt dazu treffend:

„Genau wenn Marshall McLuhans These, daß das Medium die Botschaft ist, zutrifft (und ich zweifle nicht, daß dies der Fall ist), dann müssen den elektronischen Medien aus systematischen Gründen die eigentümlichen Erfahrungsformen der anderen Medien fehlen. Zwar können die elektronischen Medien auf alle Gegenstände zugreifen, aber wie jedes andere Medium auch nur nach ihrer eigenen Art“ und er fügt hinzu: „Medien können, anders gesagt, zwar universal, aber nicht total sein. Sie können alles beinhalten, aber nicht auf jede Art.“ (Welsch 1996, S. 317)
Man könnte diese letzte Bemerkung auf Latein formelhaft so ausdrücken: totum sed non totaliter (das Ganze auf nicht auf jede Art). Der Informationshermeneutik, so wie der Hermeneutik der Oralität, der Schrift und des gedruckten Wortes, liegt jeweils eine Ontologie zugrunde. Ich spreche im Falle der digitalen Medien und in Einklang mit Welsch von einer digitalen Ontologie und meine damit, daß wir die Welt digital entwerfen, so wie wir sie früher organismisch, energetisch usw. entworfen haben. „Esse est computari“ ist die dem „esse is percipi“ (G. Berkeley) entsprechende ontologische Formel. Was ist, ist, was digitalisierbar ist. Aber auch für diese Ontologie gilt totum sed non totaliter. Der Sinn von Sein bleibt offen, während aber zugleich unsere Existenz sich zunehmend im digitalen Seinsentwurf entfaltet (Capurro).

Günter Figal zufolge gibt es drei Ausprägungen philosophischer Hermeneutik, nämlich eine Hermeneutik wirkungsgeschichtlichen Geschehens, eine Hermeneutik perspektivischer Integration und eine Hermeneutik sich ereignender Konstellationen, die sich gegenseitig begrenzen, ohne sich aber im Hegelschen Sinne aufzuheben (Figal 1996, S. 22ff). Die Hermeneutik wirkungsgeschichtlichen Geschehens basiert auf der Kontinuität von Traditionen. Verstehen vollzieht sich aus der Geschichte als Überlieferung und auf sie hin. Ihre Grenze findet sie aber darin, daß das Verstehen als Erkunden der eigenen Überlieferung diese sich „niemals wirklich aneignen und als ganze zur Durchsichtigkeit bringen“ kann (Figal 1996, S. 24).

Genau dieses bildet den Ausgangspunkt der Hermeneutik perspektivi- scher Integration. Indem sie auf die Vorstellung einer umgreifenden Tradition verzichtet, richtet sie ihr Augenmerk auf die Gegenwart:    

„Das Erinnern selbst ist gegenwärtig, und wo man etwas als Relikt oder Zeugnis vergangenen Lebens versteht, gründet das in einer erinnerten Geschichte. So findet das gegenwärtige Leben im Erinnern zu sich selber zurück.“ (Figal 1996, S. 26)
Anstatt sich also im Vergangenen zu verlieren, versucht sie das Übriggebliebene im gegenwärtigen Leben einzuverleiben. Was zählt, ist die zeitlose Präsenz. Diese wird aber „ausschließlich durch den zeitlichen Vollzug des Lebens gebildet und offen gehalten.“ (a.a.O.). Womit auch ihre Grenze angezeigt ist, nämlich, daß sie wie bei der Hermeneutik der Wirkungsgeschichte nicht sagen kann, in welchem Zusammenhang etwas verständlich sein soll. Letztere kann aber wiederum die Perspektive einer umgreifenden Präsenz nicht verstehen, „ohne diese wiederum als kontinuierliches Überlieferungsgeschehen zu denken.“ (Figal 1996, S. 28)   

Dieses gelingt der Hermeneutik sich ereignender Konstellationen, indem sie nicht die Kontinuität, sondern den Bruch mit der Tradition als Ausgangspunkt nimmt. Dies bedeutet, daß die Möglichkeit eines Verstehens plötzlich auftaucht, die weder im Text noch im Interpreten allein angelegt war, sondern sich im Augenblick ihrer Begegnung vollzieht und durch keine Überlieferung garantiert wird.

„Ausgangspunkt dieser Konzeption ist die wohl gut nachvollziehbare Beobachtung, daß Texte nicht zu jeder Zeit in gleicher Weise verständlich sind, daß Texte zu bestimmten Zeiten nichtssagend bleiben, während sie zu anderen als bedeutend entdeckt werden.“ (Figal 1996, S. 29)
Ihr entgeht aber wiederum der Sinn der von Traditionen eröffneten Freiräume. Ich meine, daß eine künftige Hermeneutik, die sich dem Phänomen der elektronischen Vernetzung stellt, diese drei Hinsichten mitreflektieren muß: 
  • Sie muß zeigen, inwiefern das elektronische Medium andere Formen von Traditionen, als die des gesprochenen und gedruckten Wortes ermöglicht, und wie diese Medien sich gegenseitig beeinflussen.
  • Sie muß ferner zeigen, inwiefern die elektronische Virtualität eine neue Erfahrung zeitloser Präsenz darstellt, die wiederum auf wirkungeschichtliche Zusammenhänge nicht verzichten kann.
  • Und sie muß schließlich die unvorhersehbaren Verstehens- und Nichtverstehens-Konstellationen, die sich im Netz u.U. im Weltmaß- stab ereignen (oder nicht ereignen), artikulieren, sie auf entsprechende Freiräume von Traditionen beziehen und zugleich in ihrer multikulturellen Vielfalt legitimieren.

LITERATUR

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-: On the Genealogy of Information. In: K. Kornwachs, K. Jacoby: Information. New Questions to a Multidisciplinary Concept, Berlin 1996, S. 259-270.
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-: What is information science for? A philosophical reflexion. In: P. Vakkari,  B. Cronin, Eds.: Conceptions of Library and Information Science, London 1992, S. 82-93.    
-: Plädoyer für eine artifizielle Hermeneutik. In: Ethik und Sozialwissenschften 4 (1993) Heft 4, S. 522-524.

Figal, G.: Der Sinn des Verstehens, Stuttgart 1996. 

Gadamer, H.-G.: Art. Hermeneutik, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 3, 1974, Sp. 1061-1073.
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Ingwersen, P., Pors, N.O. Eds.: Information Science. Integration in Perspective, Copenhagen 1996. 

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Luhmann, N.: Die Realität der Massenmedien, Opladen 1996.
-: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt/M, 1997.
-: Soziale Systeme, Frankfuft/M. 1987. 

Martens, E.: Der Faden der Ariadne, Stuttgart 1991.

Münker, S., Roesler, A. Hrsg.: Mythos Internet, Frankfurt/M. 1997.
   
Vattimo, G.: È una rete senza centro ma ci dà un premio: la libertà. In: Telèma 3 (1997a), 3-5.
-: Jenseits der Interpretation. Frankfurt/M 1997.

Welsch, W.: Grenzgänge der Ästhetik, Stuttgart 1996. 

 

 
   
 

Hermeneutik: Eine einführende Bibliographie

Bianco, F. Hg.: Beiträge zur Hermeneutik aus Italien, Freiburg/München 1993.

Bubner, R., Cramer, K., Wiehl, R. Hrsg.: Hermeneutik und Dialektik (H.-G. Gadamer zum 70. Geburtstag) 2 Bde., Tübingen 1970. 

Capurro, R.: Hermeneutik der Fachinformation, Freiburg/München 1986.
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Davidson, D.: Wahrheit und Interpretation. Frankfurt/Main 1986.    

Figal, G.: Der Sinn des Verstehens, Stuttgart 1996.

Forum für Philosophie Bad Homburg Hg.: Intentionalität und Verstehen, Frankfurt/M 1990.    

Gadamer, H.-G.: Gesammelte Werke, Tübingen 1985ff.    

Gadamer, H.-G., Böhm, G. Hrsg.: Die Hermeneutik und die Wissenschaften, Frankfurt/M 1978.    

Grondin, J.: Einführung in die philosophische Hermeneutik, Darmstadt 1991.    
-: Der Sinn für Hermeneutik, Darmstadt 1994.

Habermas, J. Hrsg.: Hermeneutik und Ideologiekritik, Frankfurt/Main 1971.    

Ineichen, H.: Philosophische Hermeneutik (Handbuch Philosophie), Freiburg/München 1991.

Krämer, H.: Positionen zeitgenössischer philosophischer Hermeneutik. In: Information Philosophie, Dezember 1996, S. 24-37. 

Lenk, H.: Philosophie und Interpretation, Frankfurt/Main 1993. 

Pöggeler, O.: Heidegger und die hermeneutische Philosophie, Freiburg/München 1983.

Seiffert, H.: Einführung in die Hermeneutik. Tübingen 1992.

Simon, J. Hg.: Zeichen und Interpretation, Frankfurt/Main 1994.

Vattimo, G.: Das Ende der Moderne, Stuttgart 1990.
-: Jenseits der Interpretation, Frankfurt/Main 1997. 

Wright, G.W.v.: Erklären und Verstehen, Frankfurt/Main 1974.
 

Letzte Änderung: 20. August 2017
 

 
   

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